Allwissend
ihrer Instant Messages. Sogar gelöschte Daten. Nichts davon ist verschlüsselt oder durch ein Passwort geschützt - was mir übrigens verrät, dass ihre Eltern sich kaum in Tammys Leben einmischen. Kinder, die streng überwacht werden, lernen alle möglichen Tricks, um ihre Privatsphäre zu schützen. Ich wiederum bin ganz gut darin, diese Tricks zu umgehen, aber das nur am Rande.« Er zog die Festplatte von seinem Computer ab und reichte sie samt Kabel an Dance weiter. »Bitte sehr. Einfach einstöpseln und nach Herzenslust lesen.« Er zuckte die Achseln. »Mein erster Auftrag für die Polizei... kurz, aber schön.«
Kathryn Dance betrieb zusammen mit einer guten Freundin eine Internetseite, die traditioneller einheimischer Musik gewidmet war. Der technische Aufbau der Seite war ziemlich kompliziert, und Dance kannte sich kaum mit der Hard- und Software aus; der Mann ihrer Freundin kümmerte sich um diesen Teil des Projekts.
»Wissen Sie, falls Sie nicht zu beschäftigt sind, könnten Sie vielleicht noch eine Weile bleiben und mir bei der Suche helfen?«, fragte sie nun Boling.
Er zögerte.
»Na ja, wenn Sie schon anderweitig verplant sind...« »Von wie viel Zeit reden wir denn? Ich muss Freitagabend zu einer Art Familientreffen in Napa sein.«
»Oh, so lange wird es nicht dauern«, versicherte Dance. »Ein paar Stunden. Höchstens ein Tag.«
Seine Augen leuchteten wieder auf. »Dann sehr gern. Rätsel sind für mich eine Art Grundnahrungsmittel... Also, wonach soll ich Ausschau halten?«
»Nach allen Hinweisen auf die Identität von Tammys Angreifer.«
»Oh, wie bei Sakrileg.«
»Lassen Sie uns hoffen, dass es nicht ganz so schwierig ist und dass die Ergebnisse nicht zu unserer Exkommunikation führen... Ich interessiere mich für jede Art von Schriftwechsel, der bedrohlich wirkt. Auseinandersetzungen, Konflikte, Kommentare über Stalker. Sind die Instant Messages erhalten?«
»In Bruchstücken. Die meisten können wir wahrscheinlich rekonstruieren.« Boling schloss das Laufwerk wieder an seinen Computer an und beugte sich vor.
»Dann die Internet-Communitys«, sagte Dance. »Alles, was mit Gedenkstätten oder Kreuzen zu tun hat.«
»Gedenkstätten?«
»Wir glauben, dass er ein Kreuz am Straßenrand aufgestellt hat, um den Überfall anzukündigen«, erklärte sie.
»Das ist echt krank.« Die Finger des Professors sausten über die Tasten. »Weshalb glauben Sie, dass in Tammys Computer eine Antwort steckt?«, fragte er unterdessen.
Dance berichtete von ihrem Gespräch mit Tammy Foster.
»Und Sie haben all das nur aus ihrer Körpersprache abgelesen?«
»Ja, genau.«
Sie schilderte ihm die drei Faktoren menschlicher Kommunikation. »Zunächst ist da der verbale Inhalt - das, was wir sagen. Gemeint ist die Bedeutung der eigentlichen Worte. Aber der Inhalt ist nicht nur am wenigsten verlässlich und am einfachsten zu fälschen, er stellt zudem nur einen kleinen Teil der Botschaften dar, die wir einander übermitteln. Der zweite und dritte Faktor sind wesentlich wichtiger: zum einen die verbale Qualität - wie wir etwas sagen. Dazu zählen zum Beispiel die Tonlage einer Stimme, die Sprechgeschwindigkeit oder ob wir zögern und häufig »Ähs« einfügen. Zum anderen die Kinesik - das Verhalten unseres Körpers. Gesten, Blicke, Atmung, Haltung, Manieriertheiten. Bei einer Vernehmung sind vor allem die beiden zuletzt genannten Faktoren von Interesse, denn sie sind deudich aufschlussreicher als der Inhalt des Gesagten.«
Er lächelte. Dance hob eine Augenbraue.
»Sie sprechen genauso begeistert von Ihrer Arbeit wie...«, setzte Boling an.
»... wie Sie von Ihrem Flash Memory.«
Er nickte. »Ja. Das hier sind schon erstaunliche kleine Kerle... sogar die rosafarbenen.«
Boling tippte weiter und scrollte Seite um Seite durch das Innenleben von Tammys Computer. »Das typische Geplapper eines halbwüchsigen Mädchens«, sagte er leise vor sich hin. »Jungen, Klamotten, Make-up, Partys, ein wenig über die Schule, Filme und Musik... keine Drohungen.«
Er suchte flink diverse Listen ab. »Bislang kein Treffer bei den E-Mails, zumindest nicht während der letzten beiden Wochen. Falls nötig, kann ich später auch noch weiter zurückgehen. So, Tammy ist bei all den großen Netzgemeinschaften vertreten -Facebook, MySpace, OurWorld, Second Life.« Obwohl Boling offline war, konnte er die zuletzt von Tammy besuchten Seiten aufrufen und lesen. »Moment, Moment... okay.« Er beugte sich angespannt vor.
»Was
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