Allwissend
den Weg zum CBI machen, um die Jagd auf Travis Brigham fortzusetzen.
Als Dienstwagen fuhr Dance einen großen zivilen Ford, der sich wie eine Mischung aus Rennwagen und Panzer anfühlte und den sie noch nie an seine Grenzen gebracht hatte. Sie war keine begeisterte Autofahrerin, und obwohl sie den vorgeschriebenen Hochgeschwindigkeitsverfolgungs-Kurs in Sacramento absolviert hatte, konnte sie sich kaum vorstellen, jemals einem anderen Fahrer über die gewundenen Straßen Zentralkaliforniens nachzujagen. Bei diesem Gedanken kam ihr plötzlich ein Bild aus dem Blog in den Sinn - das Foto der Kreuze, die am Schauplatz des tragischen Unfalls standen, der sich am 9. Juni auf dem Highway 1 zugetragen und all die nachfolgenden Schrecken in Gang gesetzt hatte.
Sie bog nun auf das Krankenhausgelände ein und bemerkte mehrere Streifenwagen der California Highway Patrol sowie zwei zivile Einsatzfahrzeuge, die genau vor dem Haupteingang standen. Über Funk hatte niemand einen größeren Polizeieinsatz mit verletzten Personen gemeldet. Als Dance aus dem Wagen stieg, fiel ihr eine Veränderung bei den Demonstranten auf. Zunächst mal waren es jetzt mehr, ungefähr drei Dutzend. Und es hatten sich ihnen zwei weitere Nachrichtenteams zugesellt.
Die Leute waren zudem ausgelassen und schwenkten ihre Transparente und Kreuze wie Sportfans im Stadion. Sie lachten und sangen. Dance sah, dass mehrere Männer zu Reverend Fisk kamen und ihm nacheinander die Hand schüttelten. Sein rothaariger Begleiter behielt aufmerksam den Parkplatz im Auge.
Und dann verschlug es Dance den Atem. Sie erstarrte.
Aus dem Eingang des Krankenhauses kamen mit bleichen Gesichtern Wes und Maggie zum Vorschein, begleitet von einer Afroamerikanerin mit dunkelblauem Kostüm. Sie führte die beiden zu einem der Zivilfahrzeuge.
Dann folgte Robert Harper, der Sonderankläger, den Dance in Charles Overbys Büro kennengelernt hatte.
Und hinter ihm ging ihre Mutter. Edie Dance wurde von zwei großen uniformierten Staatspolizisten flankiert, und sie trug Handschellen.
Dance lief los.
»Mom!«, rief der zwölfjährige Wes und rannte auf sie zu. Seine Schwester zog er mit sich.
»Halt, das dürft ihr nicht!«, rief die Frau, die sie begleitet hatte, und eilte sofort hinterher.
Dance kniete sich hin und schloss ihre Kinder in die Arme.
Die strenge Stimme der Frau hallte über den ganzen Parkplatz. »Wir nehmen die Kinder...«
»Sie nehmen niemanden mit«, herrschte Dance sie an und wandte sich dann wieder an ihre Kinder. »Geht es euch gut?«
»Die haben Oma verhaftet!«, sagte Maggie mit Tränen in den Augen. Ihr kastanienbrauner Zopf hing ihr schlaff über die Schulter, wohin er beim Laufen gefallen war.
»Ich rede gleich mit denen.« Dance stand auf. »Ihr habt euch doch nicht wehgetan, oder?«
»Nein«, sagte der schmale Wes, der fast so groß wie seine Mutter war, mit zittriger Stimme. »Die sind nur, diese Frau und die Polizei, die sind nur plötzlich gekommen und haben uns geholt und gesagt, sie würden uns wegbringen. Ich weiß nicht, wohin.«
»Ich will nicht weg von dir, Mommy!« Maggie klammerte sich an sie.
»Niemand bringt dich von mir weg«, versicherte Dance ihrer Tochter. »Okay, geht und setzt euch ins Auto.«
Die Frau in dem blauen Kostüm kam näher. »Ma'am«, sagte sie leise, »ich fürchte...« In dem Moment hielt Dance ihr ihren CBI-Dienstausweis wenige Zentimeter vor das Gesicht. »Die Kinder kommen mit mir«, sagte sie.
Die Frau las den Ausweis und blieb unbeeindruckt. »Das ist Vorschrift. Dafür haben Sie doch sicher Verständnis. Es ist nur zum Besten der beiden. Wir überprüfen die Sachlage, und falls alles geklärt werden kann...«
»Die Kinder kommen mit mir.«
»Ich bin Sozialarbeiterin beim Jugendamt von Monterey County.« Sie zeigte ihren eigenen Ausweis vor.
Dance dachte, dass es vermutlich klüger wäre zu verhandeln, zog aber stattdessen mit einer gleitenden Bewegung die Handschellen aus ihrem kleinen Futteral hinten am Gürtel und klappte sie auf wie eine große Krabbenschere. »Hören Sie gut zu. Ich bin die Mutter der beiden. Sie haben meinen Ausweis gesehen. Sie wissen, wer die Kinder sind. Und jetzt geben Sie den Weg frei, oder ich verhafte Sie gemäß Paragraf zwei-null-sieben des kalifornischen Strafgesetzbuches.«
Als die Fernsehreporter das sahen, schien ein Ruck durch sie alle gleichzeitig zu gehen, als würde eine Eidechse bemerken, dass ein ahnungsloser Käfer sich näherte. Die Kameras schwangen
Weitere Kostenlose Bücher