Allwissend
gesessen - vorn beim Aufnahmeschalter, wo auch Dance schon viele ihrer Verdächtigen abgeliefert hatte. Kathryn kannte die Prozedur genau: Alle Wertgegenstände wurden konfisziert. Die persönlichen Daten wurden registriert, und es wurde überprüft, ob irgendwo ein anderer Haftbefehl vorlag. Danach wurde man in eine Zelle gesteckt, zu all den anderen Festgenommenen. Und dann wartete man und wartete.
Schließlich wurde man zur Kautionsanhörung hierher gebracht, in den kalten, unpersönlichen Saal des Haftrichters. Dance und ihr Vater waren von Dutzenden Angehörigen der Gefangenen umgeben. Die meisten der hiesigen Beschuldigten - manche in Straßenkleidung, andere in den roten Häftlingsoveralls von Monterey County - waren junge Latinos. Dance erkannte jede Menge Bandentätowierungen. Einige waren mürrische Weiße, ungepflegter als die Latinos, mit schlechteren Zähnen und fettigeren Haaren. Im Hintergrund saßen die Pflichtverteidiger. Außerdem die gewerblichen Kautionssteiler, die darauf lauerten, sich ihren zehnprozentigen Anteil vom Kuchen zu sichern.
Dance hob den Kopf und sah, dass ihre Mutter hereingeführt wurde. Es schnürte ihr die Kehle zu, die Frau in Handschellen zu sehen. Edie trug keinen Overall, aber ihr normalerweise perfekt frisiertes Haar war zerzaust. Man hatte ihr am Aufnahmeschalter die selbst gemachte Halskette abgenommen. Ihren Ehering auch. Ihre Augen waren rot.
Es liefen zahlreiche Anwälte hier herum, einige nicht viel eleganter als ihre Mandanten; nur Edie Dances Verteidiger trug einen Anzug, der nach dem Kauf von einem Schneider angepasst worden war. George Sheedy praktizierte seit zwei Jahrzehnten Strafrecht in Zentralkalifornien. Er hatte dichtes graues Haar, eine trapezförmige Statur mit breiten Schultern und eine Bassstimme, die gewiss eine phänomenale Darbietung von »Old Man River« abgeliefert hätte.
Im Anschluss an das kurze Telefonat mit Sheedy hatte Dance vom Wagen aus sofort Michael O'Neil verständigt, der über die Neuigkeit völlig schockiert gewesen war. Dann hatte sie Alonzo »Sandy« Sandoval angerufen, den leitenden Staatsanwalt von Monterey County.
»Ich hab es gerade erfahren, Kathryn«, murmelte Sandoval verärgert. »Und ich will ganz ehrlich sein: Das MCSO hat zwar für uns den Tod von Miliar untersucht, aber ich hatte keine Ahnung, dass Harper deswegen hergekommen ist. Und um in aller Öffentlichkeit eine Verhaftung vorzunehmen.« Er war aufgebracht. »Das war unverantwortlich. Falls der Generalstaatsanwalt auf einer Anklageerhebung bestanden hätte, hätte ich angeboten, dass Sie Ihre Mutter hierher begleiten und sie sich freiwillig stellt.«
Dance glaubte ihm. Sie und Sandy arbeiteten schon seit Jahren zusammen und hatten viele üble Gestalten hinter Gitter gebracht, nicht zuletzt aufgrund ihres wechselseitigen Vertrauens.
»Doch es tut mir leid, Kathryn. Monterey hat mit diesem Fall nichts zu tun. Er liegt jetzt in Harpers und Sacramentos Händen.«
Sie hatte sich bedankt und die Verbindung unterbrochen. Danach war es ihr wenigstens gelungen, die Kautionsanhörung ihrer Mutter zu beschleunigen. Nach kalifornischem Recht liegt der Zeitpunkt der Anhörung im Ermessen des Haftrichters. In Städten wie Riverside und Los Angeles sitzen die Gefangenen oft zwölf Stunden in einer Zelle, bis über ihren weiteren Verbleib entschieden wird. Da es sich bei dem vorliegenden Fall um einen Mord handelte, war es möglich, dass der Haftrichter vorläufig keine Kaution festsetzen und diese Entscheidung dem Vorsitzenden bei der Anklagevernehmung überlassen würde, die in Kalifornien binnen weniger Tage stattfinden musste.
Die Tür zum Korridor öffnete und schloss sich fortwährend, und Dance bemerkte, dass viele der Neuankömmlinge Presseausweise um den Hals trugen. Kameras waren hier nicht gestattet, aber sie hatten jede Menge Notizblöcke mitgebracht.
Wie im Zirkus...
»Edith Barbara Dance«, rief der Schriftführer, und die Genannte - ernst, rotäugig und weiterhin in Handschellen - erhob sich. Sheedy ebenfalls. Ein Aufseher stand neben ihnen. Diese Sitzung beschäftigte sich allein mit der Kaution; Anträge oder Aussagen spielten erst bei der späteren Anklagevernehmung eine Rolle. Harper verlangte, Edie solle ohne Kaution in Untersuchungshaft bleiben, was Dance nicht überraschte. Ihr Vater erstarrte bei den harschen Worten des Anklägers, der Edie als eine gefährliche weibliche Ausgabe von Jack Kevorkian beschrieb, die im Falle ihrer Freilassung erst
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