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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Umgang mit den Medien: Geh davon aus, dass alles, was du in Gegenwart eines Reporters sagst, in den Hauptnachrichten ausgestrahlt oder auf der morgigen Titelseite abgedruckt wird. Also lächelte sie. »Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass es sich hierbei um ein schreckliches Missverständnis handelt. Meine Mutter arbeitet seit vielen Jahren als Krankenschwester. Sie wirkt daran mit, Leben zu retten, nicht daran, sie zu beenden.«
    »Wussten Sie, dass sie eine Petition unterzeichnet hat, die sich für Jack Kevorkian und die Tötung auf Verlangen ausspricht?«
    Nein, das wusste Dance nicht. Und wie hatte die Presse so schnell davon erfahren? »Das müssen Sie meine Mutter schon selbst fragen«, entgegnete sie. »Aber eine Bittschrift zur Änderung eines Gesetzes ist nicht dasselbe, wie dieses Gesetz zu brechen.«
    In dem Moment klingelte ihr Telefon. Es war O'Neil. Sie trat ein Stück beiseite, um den Anruf entgegenzunehmen. »Michael, sie kommt auf Kaution frei«, sagte sie.
    Es herrschte kurz Stille. »Gut. Gott sei Dank.«
    Dance begriff, dass er aus einem anderen Grund angerufen hatte. Aus einem schwerwiegenden Grund. »Was ist los, Michael?«
    »Es wurde ein weiteres Kreuz gefunden.«
    »Eine echte Gedenkstätte oder eine mit zukünftigem Datum?«
    »Mit dem Datum von heute. Und es sieht genauso aus wie das erste. Zweige und Blumendraht.«
    Sie schloss verzweifelt die Augen. Nicht noch mal.
    »Aber jetzt kommt's«, sagte O'Neil. »Wir haben einen Zeugen. Einen Kerl, der gesehen hat, wie Travis das Ding platziert hat. Er könnte außerdem beobachtet haben, wohin er gegangen ist, oder er hat etwas bemerkt, das uns Travis' Versteck verrät. Kannst du ihn befragen?«
    Diesmal benötigte sie einen Augenblick, bis sie antwortete. »Ich bin in zehn Minuten da.«
    O'Neil nannte ihr die Adresse. Sie beendeten das Gespräch.
    Dance ging zu ihrem Vater. »Dad, ich kann nicht bleiben. Es tut mir so leid.«
    Er wandte sein gut aussehendes, verwirrtes Gesicht seiner Tochter zu. »Was?«
    »Es wurde noch ein Kreuz gefunden. Wie es scheint, hat der Junge sich sein nächstes Opfer gesucht. Das Datum von heute steht auf dem Kreuz. Doch es gibt einen Zeugen. Ich muss ihn vernehmen.«
    »Natürlich musst du das.« Aber er klang unschlüssig. Er machte gerade einen Alptraum durch - fast so schlimm wie der, den seine Frau erleben musste -, und er würde wollen, dass seine Tochter mit ihrem Fachwissen und ihren guten Beziehungen in der Nähe blieb.
    Dance hingegen wurde den Gedanken an Tammy Foster nicht los, wie sie in dem Kofferraum lag und das Wasser immer höher stieg.
    Und den Gedanken an Travis Brighams Augen, kalt und dunkel unter den dichten Brauen, wie er seinen Vater anstarrte, als würde seine mit einem Messer oder Schwert bewaffnete Spielfigur in Erwägung ziehen, aus der synthetischen in die echte Welt zu wechseln und den Mann abzuschlachten.
    Sie musste gehen. Und zwar sofort. »Bitte verzeih.« Sie umarmte ihren Vater.
    »Deine Mutter wird es verstehen.«
    Dance lief zum Wagen und ließ den Motor an. Als sie vom Parkplatz fuhr, warf sie einen Blick in den Rückspiegel und sah ihre Mutter, die soeben aus dem Eingang des Untersuchungsgefängnisses zum Vorschein kam. Edie nahm die Abfahrt ihrer Tochter ausdruckslos zur Kenntnis.
    Dance bremste kurz. Aber dann trat sie das Gaspedal durch und schaltete die Signalleuchten hinter dem Kühlergrill ein.
    Deine Mutter wird es verstehen...
    Nein, wird sie nicht, dachte Dance. Ganz und gar nicht.
     

Kapitel 14
    Obwohl sie schon sehr lange in dieser Gegend lebte, hatte Kathryn Dance sich nie so ganz an den charakteristischen Nebel der Halbinsel gewöhnen können. Er war wie ein Gestaltwandler - ein Geschöpf aus einem der Fantasyromane, die Wes so gern mochte. Manchmal glich er kleinen Fetzen, die sich an den Boden drückten und wie Geister an einem vorbeizogen. Dann wieder sah er aus wie Rauch, der jede einzelne Senke des Geländes ausfüllte und vollständig den Blicken entzog.
    Meistens jedoch war er wie eine dicke Baumwolldecke, die wolkengleich einige Dutzend Meter über der Erde schwebte und alles unter sich bedrohlich verdunkelte.
    So auch heute.
    Es wurde immer noch trüber, während Dance eine abgelegene Straße entlangfuhr, die zwischen Carmel und Pacific Grove durch öffentliches Gelände verlief. Sie hörte dabei Raquy and the Cavemen, eine nordafrikanische Gruppe, die berühmt für ihre Percussions war. Die Landschaft hier bestand überwiegend aus naturbelassenem

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