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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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ihn lustig, weil er sich kein Auto leisten konnte.
    Erschrocken, wütend, verängstigt...
    Kelley betrachtete noch immer die Postings auf dem Bildschirm, als sie ein Geräusch hinter sich hörte. Ein Knacken, genau wie vorher. Noch eines. Sie drehte sich um. Und schrie aus vollem Hals los.
    Ein Gesicht - die furchterregendste Fratze, die sie je gesehen hatte - starrte sie vom Fenster aus an. Kelleys Verstand setzte aus. Sie fiel auf die Knie und fühlte die warme Flüssigkeit zwischen ihren Beinen hervorschießen, als sie die Kontrolle über ihre Blase verlor. Ein Schmerz zuckte durch ihre Brust bis hoch zum Kiefer, zur Nase, zu den Augen. Sie hörte fast auf zu atmen.
    Das reglose Antlitz hatte riesige schwarze Augen, vernarbte Haut, Schlitze anstatt einer Nase und einen zugenähten blutigen Mund.
    Der gnadenlose Schrecken ihrer Kindheitsängste ergriff vollständig von ihr Besitz.
    »Nein, nein, nein!« Schluchzend wie ein Baby krabbelte Kelley so schnell und weit wie möglich davon. Sie prallte mit dem Kopf gegen die Wand und blieb benommen auf dem Teppich liegen.
    Starrende Augen, schwarze Augen. Genau auf sie gerichtet. »Nein...«
    Mit von Urin durchnässten Jeans und revoltierendem Magen kroch Kelley verzweifelt auf die Tür zu.
    Die Augen, der Mund mit der blutigen Naht. Der Yeti, der Schneemensch. Irgendwo in dem Teil ihres Gehirns, der noch korrekt funktionierte, wusste sie, dass es nur eine Maske war, die jemand an die Kreppmyrte vor dem Fenster gebunden hatte.
    Doch das änderte nichts an der nackten Angst, die durch diesen schlimmsten Alptraum ihrer Kindertage in ihr entfacht wurde.
    Und sie wusste auch, was es bedeutete.
    Travis Brigham war hier. Er war gekommen, um sie zu töten, genau wie er es bei Tammy Foster versucht hatte.
    Es gelang Kelley endlich, sich aufzurappeln und zur Tür zu stolpern. Lauf. Du musst sofort weg.
    Auf dem Flur wandte sie sich zum Eingang.
    Scheiße! Die Haustür stand offen! Ihr Bruder hatte nicht abgeschlossen.
    Travis war hier im Haus!
    Sollte sie einfach quer durch das Wohnzimmer laufen? Während sie noch starr vor Angst dastand, packte er sie von hinten. Sein Arm legte sich um ihren Hals.
    Sie wand sich - bis er ihr eine Pistole an die Schläfe drückte.
    »Bitte nicht, Travis«, schluchzte sie. »Perv?«, flüsterte er. »Luser?«
    »Es tut mir leid, es tut mir leid. Ich hab's nicht so gemeint!«
    Während er sie rückwärts zur Kellertür zog, spürte sie, wie sein Arm sich immer mehr anspannte, bis ihr Flehen und das Ringen nach Luft leiser und leiser wurden und das grelle Licht, das durch das fleckenlose Wohnzimmerfenster fiel, sich erst grau und dann schwarz verfärbte.
     
    Kathryn Dance war mit dem amerikanischen Rechtssystem vertraut. Sie hatte erst als Reporterin in Richterzimmern und Gerichtssälen gesessen, dann als Beraterin bei der Geschworenenauswahl und später als Beamtin der Strafverfolgungsbehörden.
    Aber sie war noch nie mit der Angeklagten verwandt gewesen.
    Nachdem sie die Kinder vom Krankenhaus zu Martine gebracht hatte, hatte sie ihre Schwester Betsey angerufen, die mit ihrem Mann unten in Santa Barbara wohnte.
    »Bet, Mom steckt in Schwierigkeiten.«
    »Was ist denn los? Red schon.« Die sonst so unbekümmerte Frau, die mehrere Jahre jünger als Dance war, hatte ungewohnt besorgt geklungen. Betsey hatte lockiges Engelshaar und flatterte von Beruf zu Beruf wie ein Schmetterling von Blüte zu Blüte.
    Dance hatte ihr alles gesagt, was sie wusste.
    »Ich rufe sie sofort an«, hatte Betsey verkündet.
    »Sie sitzt in Untersuchungshaft. Man hat ihr das Telefon weggenommen. Es gibt bald eine Kautionsanhörung. Danach werden wir mehr wissen.«
    »Ich mache mich gleich auf den Weg.«
    »Warte lieber erst mal ab.«
    »Sicher, natürlich. Oh, Katie, wie ernst ist diese Angelegenheit?«
    Dance hatte gezögert. Sie erinnerte sich noch gut an Harpers ruhigen, entschlossenen Blick - den Blick eines Mannes mit einer Mission. Schließlich hatte sie geantwortet: »Es könnte schlimm werden.«
    Nach dem Telefonat war Dance zum Gerichtsgebäude gefahren, wo sie nun im Saal des Haftrichters mit ihrem Vater saß. Der schlanke weißhaarige Mann war sogar noch blasser als üblich (er hatte auf schmerzhafte Weise gelernt, welche Risiken ein Meeresbiologe in der prallen Sonne auf dem offenen Ozean eingeht, und schwor inzwischen auf Sonnenschutzmittel und Hüte). Seinen Arm hatte er um ihre Schultern gelegt.
    Edie hatte eine Stunde in der großen Gemeinschaftszelle

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