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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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dachte Dance, würde sie notfalls auch feuern. Der Gedankengang war simpel. Ihren Kindern zuliebe konnte sie sich keine falschen Skrupel erlauben. Sie durfte nicht zulassen, dass ihnen nach dem Vater auch noch die Mutter genommen wurde.
    Die Schutzweste scheuerte, verlieh ihr aber etwas mehr Selbstvertrauen. Dance zwang sich, nicht ständig die Klettverschlüsse zu kontrollieren.
    Mit zwei County Deputys im Schlepptau betraten sie die morsche Veranda und hielten sich so weit wie möglich von den Fenstern fern. Der Wagen der Familie stand in der Auffahrt. Das Fahrzeug der Landschaftsgärtnerei ebenfalls, ein Pickup mit Stechpalmen und Rosenbüschen auf der Ladefläche.
    Flüsternd bereitete sie Carraneo und die anderen Beamten auf den jüngeren Bruder Sammy vor. »Er ist groß und wirkt labil, aber er stellt vermutlich keine Gefahr dar. Falls es zum Äußersten kommt, setzen Sie keine tödliche Gewalt gegen ihn ein.«
    »Jawohl, Ma'am.«
    Carraneo war aufmerksam, aber ruhig.
    Dance schickte die Deputys auf die Rückseite des Gebäudes und postierte sich mit ihrem Kollegen zu beiden Seiten der Eingangstür. »Legen wir los.« Sie klopfte laut gegen das verwitterte Holz. »Bureau of Investigation. Wir haben einen Gerichtsbeschluss. Bitte öffnen Sie die Tür.«
    Sie klopfte noch mal. »Bureau of Investigation. Machen Sie auf!«
    Die Hände an den Waffen.
    Einen endlosen Moment später, als Dance gerade zum dritten Mal anklopfen wollte, ging die Tür auf, und Sonia Brigham starrte ihnen mit großen Augen entgegen. Sie hatte geweint.
    »Mrs. Brigham, ist Travis hier?«
    »Ich...«
    »Bitte. Ist Travis zu Hause? Es ist wichtig.« »Nein. Ehrlich.«
    »Wir sind ermächtigt, seine Habseligkeiten mitzunehmen.« Dance reichte ihr das Dokument mit dem blauen Umschlag und trat ein, unmittelbar gefolgt von Carraneo. Im Wohnzimmer war niemand. Sie bemerkte, dass die Türen der Jungen beide offen standen. Sammy war nirgendwo zu sehen. Dance schaute kurz in sein Zimmer und sah seitenweise kunstvolle Zeichnungen. Sie fragte sich, ob er an einem eigenen Comic oder japanischen Manga arbeitete.
    »Ist Ihr anderer Sohn hier? Sammy?«
    »Er ist draußen und spielt. Unten am Teich. Bitte, wissen Sie etwas über Travis? Hat jemand ihn gesehen?«
    Ein Knarren aus der Küche. Dance griff nach ihrer Waffe.
    Bob Brigham kam aus der Küche zum Vorschein. Er hatte eine Dose Bier in der Hand. »Da sind Sie ja wieder«, murmelte er. »Mit...« Seine Stimme erstarb. Er riss seiner Frau den Gerichtsbeschluss aus der Hand und tat so, als würde er ihn lesen.
    Dann musterte er Rey Carraneo, als wäre der CBI-Agent ein Laufbursche.
    »Haben Sie von Travis gehört?«, fragte Dance und sah sich dabei ständig nach allen Seiten um.
    »Nein. Aber Sie können nicht uns für das verantwortlich machen, was er vorhat.«
    »Er hat nichts getan!«, rief Sonia.
    »Aber das Mädchen, das heute überfallen wurde, hat ihn identifiziert«, sagte Dance.
    Sonia wollte etwas erwidern, verstummte aber und kämpfte vergeblich gegen die Tränen an.
    Dance und Carraneo durchsuchten vorsichtig das Haus. Es dauerte nicht lange. Nichts deutete daraufhin, dass der Junge in letzter Zeit hier gewesen war.
    »Wir wissen, dass Sie einen Revolver besitzen, Mr. Brigham. Könnten Sie bitte nachsehen, ob er noch da ist?«
    Seine Augen verengten sich, als würde er überlegen, welche Auswirkungen das haben könnte. »Er liegt in meinem Handschuhfach. In einem verschlossenen Kasten.«
    Wie es nach kalifornischem Recht vorgeschrieben war, wenn Kinder unter achtzehn Jahren in dem betreffenden Haushalt lebten.
    »Geladen?«
    »Ja. Wir arbeiten oft in Sahnas«, rechtfertigte er sich. »Die Gangs, Sie wissen schon.«
    »Bitte schauen Sie nach, ob die Waffe noch da ist.«
    »Er wird doch nicht meinen Revolver klauen. Das würde er nicht wagen. Ich würde ihm eine Tracht Prügel verabreichen, dass ihm Hören und Sehen vergeht.«
    »Könnten Sie sich bitte vergewissern?«
    Der Mann sah sie ungläubig an. Dann ging er hinaus. Dance bedeutete Carraneo, er möge Brigham folgen.
    Als sie an die Wand sah, entdeckte sie dort einige Familienfotos. Ihr fiel sofort die viel glücklicher wirkende und weitaus jüngere Sonia Brigham auf, die hinter dem Tresen einer Jahrmarktbude stand. Sie war schlank und hübsch. Vielleicht hatte sie vor ihrer Heirat einen eigenen Stand besessen. Vielleicht hatten sie und Brigham sich dort kennengelernt.
    »Geht es dem Mädchen gut, das überfallen wurde?«, fragte die

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