Alma Mater
das.«
»Du haßt alles, was nach Arbeit aussieht. Such dir’s aus.«
»Wenn wir die Lichter zusammen dran stecken, dauert es nur halb so lange«, feilschte Mignon.
»Wenn wir die Lichter zusammen dran stecken, endet es damit, daß ich es ganz allein mache.«
»Nein. Wir teilen die Stränge auf. Du nimmst die eine Hälfte und ich die andere. Ich muß meine Hälfte fertig kriegen, egal wie. Das ist doch fair, oder?«
»Na gut.«
R. J. lachte. »Mignon, du wirst noch mal in der Politik landen.«
Drei Stunden später beherrschte die riesige Douglastanne, fest verankert in ihrem Ständer, erhellt von bunten Lichterketten, die am weitesten vom Kamin entfernte Ecke des Wohnzimmers. Piper hatte sich unter dem Baum schon ein Bett gemacht.
R. J., Vic und Mignon trugen die Schachteln mit Christbaumschmuck herein, die in einer großen Holztruhe im Keller aufbewahrt wurden. Einige Kugeln stammten aus den späten 1800er Jahren, und eine war von 1861 und hieß »die Kriegskugel«. Die meisten stammten aus den 1950ern, als R. J.s Mutter einem Weihnachtskaufrausch erlegen gewesen war.
Sie begannen an den inneren Baumzweigen und arbeiteten sich nach außen vor. Genauso hatten Vic und Mignon auch die Lichter angebracht. Auf diese Weise erreichten sie Tiefe und Fülle. R. J. duldete keine Schluderei.
Als alle Kugeln an ihrem Platz waren, wurde der Vorgang mit Eiszapfen wiederholt. Dann wanden sie die goldenen Girlanden außen herum, von oben nach unten, und steckten schließlich den großen goldenen Stern auf die Spitze.
Die Kamineinfassungen wurden mit Fichtengirlanden geschmückt, die mit Stechpalmenblättern durchzogen und mit glänzenden roten und goldenen Christbaumkugeln verziert waren.
In der großen Diele, die ebenfalls mit Girlanden geschmückt war, hingen Mistelzweige von dem schönen, mundgeblasenen Lampenschirm aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ein Kinderschlitten voller Teddybären stand am Ende der Diele.
Gerade als die sinkende Sonne den James so rot wie Stechpalmenbeeren färbte, waren die drei Frauen mit dem Baum fertig.
R. J. trat einen Schritt zurück. »Mädels, wie findet ihr ihn?«
»Das ist der schönste, ehrlich, Mom, der schönste Baum, den wir je hatten«, sagte Vic.
Mignon ging um ihn herum. »Findet Piper auch.«
Das Pochpoch von einem Hundeschwanz unterstrich Mignons Bemerkung.
R. J. trat an das hohe Fenster, das auf den Fluß hinaussah. Das mundgeblasene Glas der kleinen quadratischen Scheiben war stellenweise etwas gewellt. »Die Wintersonnenwende. Sie bringt immer eine Mischung aus Melancholie und Hoffnung.«
Mignon, die neben ihrer Mutter stand, fragte: »Weil wir von heute an mit jedem Tag eine Minute länger Tageslicht haben?«
»Ja, aber den schlimmsten Teil des Winters haben wir noch vor uns, daher die Melancholie.« R. J. legte ihren Arm um Mignons Taille. »Was für ein Glück ist es für mich, so großartige Töchter zu haben.«
»Oh, Mom.« Mignon umarmte sie.
»Du siehst in letzter Zeit so schön aus, Mignon.« R. J. drückte sie an sich.
»Meine Schwester, der Filmstar«, rief Vic, die die leeren Schachteln stapelte, um sie zurück in den Keller zu bringen.
»Schafft ihr zwei die runter, und ich mach uns Glühwein. Den haben wir uns verdient.«
Vic und Mignon waren noch im Keller, als Charly eintraf.
R. J. öffnete die Haustür, und Charly überreichte ihr einen riesigen Blumenschmuck für die Diele. Er sauste wieder zum Auto und kehrte mit Geschenken beladen zurück. R. J. führte ihn ins Wohnzimmer. Dort nahm sie ihm die Pakete ab, eins nach dem anderen, und legte sie unter den Baum, wo Piper jedes Einzelne beschnüffelte.
»Ah, der Weihnachtsmann.« Sie küßte Charly auf die Wange. »Gib mir deinen Mantel und komm in die Küche.«
Sie hörten die zwei Schwestern, die schallend über die neueste Metamorphose der Jungfrau Maria lachten, die Holztreppe hinaufpoltern.
»Charly!« Vic lief zu ihm, schloß ihn in die Arme und gab ihm einen dicken Kuß.
»Frohe Weihnachten, Schönste.« Er küßte sie auch; dann ließ er sie los, umarmte Mignon und gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Dir auch frohe Weihnachten, Mignon. Noch eine schöne Savedge zum Küssen.«
»Kein Wunder, daß du so gern herkommst.« Vic zog ihm einen Stuhl heran.
»Nicht doch, wir wollen uns ins Wohnzimmer setzen wie zivilisierte Menschen«, sagte R. J. Sie sah aus dem Küchenfenster. »Gott, seht
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