Alma Mater
die Hand.«
»Charly, mach dir um mich keine Sorgen. Wenn ich morgen hier rausfliege, werd ich’s überleben.«
»Schon, aber schau, was ist schon ein einziges Semester?«
»Ich kann das später nachholen, anderswo, ein andermal. Das haben wir doch gestern Abend alles besprochen.«
»Ja, am Telefon. Ich will es Auge in Auge, Baby.« Er gab ihr einen Klaps aufs Hinterteil. »Ich dachte, ich kann’s dir – vielleicht ausreden. Es macht mir nichts aus, meine Strafe auf mich zu nehmen.«
»Das ist vollkommen sinnlos.«
»Und wenn ich zu Dekan Hansen gehe und gestehe? Dann kriegen wir beide den sprichwörtlichen Tritt in den Hintern. Wir fliegen zusammen.«
»Nein.«
»Oder ich könnte da reinmarschieren und sagen, du hast mir den Rücken gedeckt.«
»Vergiß es. Keiner will dich aus dem College raushaben, auch Dekan Hansen nicht. Was glaubst du, weswegen der Trainer sich die ganze Mühe gemacht hat? Hör doch auf. Wenn du dann in die Profimannschaft gew…«
»Ich wäre die letzte Wahl. Wir sind hier keine Spitzenmannschaft.«
»Aber du bist Spitze.«
»Danke.« Pause. »Ich werde als Börsenmakler enden. Keiner wird mich wählen.«
»Du kannst Jura studieren.«
»Es gibt zu viele Anwälte auf der Welt.« Er lachte. »Eigentlich bin ich ganz scharf drauf, den Aktienmarkt zu studieren.«
Sie nahm seine Hand. »Schließ nichts aus. Von hier bis zum Examen ist ein weiter Weg. Und sie werden dich wählen. Es sind Beobachter gekommen, um dich spielen zu sehn. Du weißt, daß der Trainer Anrufe gekriegt hat. Wart’s nur ab. Du mußt nicht alles annehmen, was dir angeboten wird, aber wäre es nicht lustig, es zu wissen? Nur so zum Spaß?«
Er zog ihre Hand an seine Lippen, küßte die kühle Haut. »Und wenn ich ja sagte und würde von, hm, den Green Bay Packers gewählt? Möchtest du in der eisigen Tundra in Milwaukee leben?«
Sie schluckte schwer. »Es geht nicht darum, was ich möchte, es geht um Chancen, die sich nur wenigen bieten. Die Börse läuft dir nicht weg. Du kannst den Aktienmarkt studieren – vielleicht sogar außerhalb der Saison bei einer Maklerfirma arbeiten. Du kannst mit Football einen Haufen verdienen, einen Haufen Geld zum Investieren.«
»Ich verdiene Geld, ganz gleich, was ich mache.« Er grinste, strahlte Selbstvertrauen aus.
»Das hab ich noch nie von dir gehört.«
»Geld ist das Letzte, worüber man reden soll.«
»Hm… wenn man genug hat, ist es wohl nicht so ein heikles Thema. Ich glaube, Mom hat nur deswegen mit mir darüber gesprochen, weil sie von der ganzen Geschichte noch ziemlich mitgenommen war.«
»So hab ich das nicht gemeint, Schatz.«
»Ich weiß. Ich denke laut vor mich hin. Sollte ich wohl lieber lassen. Ich rede mehr über Geld, als ich sollte. Es geht mir halt dauernd durch den Kopf.«
»Du wirst nie arbeiten müssen, wirst nie Geldsorgen haben. Das verspreche ich dir.«
»Charly, ich will aber arbeiten.«
»Klar doch. Ich weiß, daß du nicht bloß rumsitzen kannst, aber du wirst dir niemals Sorgen machen müssen. Ich kümmere mich um alles.« Er nahm sie in seine Arme.
Darauf drückte sie ihn an sich, legte die Arme um seine Taille. Wie sollte sie ihn jemals gehen lassen? Konnten sie nicht zusammenbleiben und bloß die Heirat vergessen? Sie fragte sich, ob es egoistisch von ihr war, sich körperlich mit beiden vergnügen zu wollen, oder ob es schlicht und einfach menschlich war. Liebe ist Liebe, sexuelle Lust ist sexuelle Lust, sagte sie sich. Tot bist du noch lange genug, drum genieße beides in vollen Zügen, solange du kannst.
»Wenn ich gestehen und mit dir rausgeschmissen würde, könnten wir auf der Stelle heiraten.« Seine Augen blitzten.
Vic überlegte rasch und antwortete: »Und deine Eltern würden mich hassen. Ich hätte sie viel lieber auf meiner Seite als gegen mich. Warum alles noch schwerer machen, als es ist?«
»Sie würden drüber wegkommen.« Aber er wußte, daß sie Recht hatte.
»Nie im Leben. Ich müßte ihnen vier der vollkommensten blonden Kinder der Welt präsentieren, ehe sie mir verzeihen würden.«
»Blond?«
»Genau. Und sie müßten Namen wie Nigel und Clarissa haben.« Vic brach in Lachen aus – sie konnte es sich nicht verkneifen. Sie hatte nichts gegen Charlys Eltern, aber sie waren manchmal schrecklich konservativ, typische Amerikaner der weißen Oberschicht. Zwar gehörte auch sie dieser Schicht an, aber für
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