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Almas Baby

Almas Baby

Titel: Almas Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Fuessmann
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so einem Kopf vor? Wie verzweifelt können Frauen sein? Hammer-Charly hatte vor einiger Zeit, während einer gemeinsamen Sause mit ein paar Kollegen, ein junges Mädchen beobachtet. Es stand in einem schulterfreien rosafarbenen Abendkleid an der Eingangskasse zum Roulettesaal der Hohensyburger Spielbank und weinte bitterlich. Sie schien total overdressed. Niemand kam hierher in einem Ballkleid. Schon gar nicht in einem schulterfreien. Hier zockt Otto Normalverbraucher. Und wer das nicht ist, will zumindest den Anschein erwecken es zu sein. Im Glückstempel bleibt man gern anonym.
    Die Frau ging auch nicht in den Saal. Sie setzte sich auf die schwarze Ledercouch im Eingangsbereich und wartete. Auf wen? Auf was? Eine traurige Gestalt, die sich verlaufen hatte. Wohin hatte sich Alma Behrend verlaufen? Und vor allem warum? Mit einem Neugeborenen kommt man nicht weit. Sie habe keine Freunde, hat ihr Mann gesagt. Typisch für Junkies. Da traut niemand dem anderen. Aber Alma war seit Langem clean. Und warum sollte sie keine eigenen Kinder bekommen können? Hammer-Charly kannte gleich dutzendweise süchtige Frauen, die Kinder in die Welt setzten. Kinder ohne Zukunft, Kinder schon im Mutterleib heroinabhängig oder bereits mit HIV infiziert. Bei Alma war das anders. Sie hatte offenbar Glück gehabt - oder war vorsichtig gewesen. Eine gesunde junge Frau, die es geschafft hatte. Was war mit ihren Eltern? Hatte sie Geschwister? War ihre Ehe wirklich so intakt, wie ihr Mann es behauptete?
    Die Rheinische Straße zog sich verdammt in die Länge. Überhaupt ein komischer Name so weit weg vom Rhein. Aber es gab ja auch eine Lippestraße und eine Ruhrallee. Waren den Dortmunder Stadtvätern vielleicht die Namen berühmter Bürger ausgegangen? Der Taxifahrer war stocknüchtern und hatte offenbar keinerlei Interesse an derart grundlegenden Fragen.
    „Wieso“, brummelte er. „Es können doch nicht alle Straßen Hohe Straße, Breite Straße, Tiefe Straße heißen. Davon gibt’s doch auch schon genug. Und wenn man nach dem Sinn fragt: Wo soll eine Tiefe Straße wohl tief sein? Das ist doch auch irgendwie blödsinnig.“
    Der Mann hatte recht, und Karl Hammer zeigte plötzlich ebenfalls keinerlei Interesse mehr an der Fortführung dieser stumpfsinnigen Diskussion. Er dirigierte den Taxifahrer weiter in Richtung Westrich. Seinen Wagen hatte er am Präsidium stehen lassen. Morgen würde ihn Lauer abholen müssen. Blöde Sauferei. War schließlich auch keine Lösung. Aber manchmal halfen eben ein paar Bierchen dabei, für eine kleine Weile den Frust zu vertreiben und die erwünschte Bettschwere zu sichern. Bei Katja und Jens Storm würde das wohl kaum funktionieren.
    Hammer-Charly bezahlte den Taxifahrer und ließ sich eine Quittung geben. Im Wohnzimmer des Reiheneigenheims brannte noch Licht. Renate hatte auf ihn gewartet. Wie oft schon, seit sie vor mehr als einem Vierteljahrhundert geheiratet hatten? „Du sollst doch nicht aufbleiben.“ Ein Satz, der zum Heimkommen gehörte wie normalerweise Charlys Gang zur Hausbar im Wohnzimmerschrank, aus der er sich regelmäßig einen Schlummertrunk genehmigte. Der teure Malt Whiskey war eines der wenigen Zugeständnisse des Hauptkommissars an den gehobenen Konsum. Er verstand das, wie er zu sagen pflegte, als einen Akt der Demokratisierung von Luxus.
    An diesem Abend wollte er jedoch keinen Whiskey. Renate schaute besorgt. Er wusste, er musste ihr nichts von der Baby-Entführung erzählen. Sie hatte es längst im Lokalradio gehört. „Am besten, du legst dich gleich hin“, meinte sie.
    „Ich bin nicht betrunken,“ stellte Hammer-Charly im Brustton der Überzeugung richtig.
    „Natürlich nicht. Aber erledigt,“ konterte Renate. Ende der Diskussion. Charly trollte sich ins Bad. Seine sanfte Frau, seine kluge Frau, seine energische Frau. Hatte sie eigentlich jemals ernsthaft darunter gelitten, dass er stets so wenig Zeit für sie hatte? Hätte er etwas daran ändern können - und wie? Eine müßige Überlegung nach so langer Zeit. Wie viele Kätzchen, Igel und anderes Getier mochte Renate wohl in all den Jahren aufgepäppelt haben? Als eine Art Ausgleich für fehlende Nähe? „Ich muss ihr morgen von Lauers Kater erzählen“, dachte Charly müde, während er sein Kopfkissen zusammenknüllte und die Augen schloss. Ob er ihr auch erklären sollte, warum er Zarah Silbermann einschalten musste? Sie würde es ohnedies verstehen und trotzdem eifersüchtig sein. Zarah war die einzige Frau auf die

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