Almas Baby
Charly schüttelte die eine oder andere Hand, grüßte da- und dorthin, verkrümelte sich dann in eine Ecke. Auch ein paar Journalisten waren da. Denen wollte er nicht unbedingt in die Arme laufen. Die waren immer im Dienst. Machten nie Feierabend und würden ihn garantiert wieder löchern.
Lauer war wie immer unpünktlich. Zeit genug für Hammer-Charly, sich in Rage zu steigern.
Als sein Vize endlich eintrudelte, saß der Chef bereits vor dem dritten Bier. Giftig wie eine Natter. Ihm war klar, dass er sein Auto stehen lassen und mit dem Taxi nach Hause fahren sollte.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Lauer, „aber ich musste noch mal zurück in die Wohnung der Alten. Katzenklo vergessen. Was soll der Kater denn deiner Meinung nach tun? Auf den Teppich scheißen?“
„Du hast keine Teppiche.“
„Na gut, aber auch auf dem Laminat macht sich Katzenscheiße nicht besonders gut. Also hab ich rasch das Klo geholt und noch mal bei dem Beamtenarsch reingeschaut.“
„Nenn den armen Mann nicht immer so. Der hat’s schließlich auch nicht leicht.“
„Na gut, also bei Herrn Behrend, du weißt schon, der Mann von der Frau mit dem Baby, den du immer Beam …“
„Mein Gott, versuch bloß nicht dauernd witzig zu sein. Das ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Verstehst du?“
„Okay, Charly. Ist ja schon gut. Also, bei dem Mann war noch Licht und da hab ich halt geklingelt. Hätt’ ja sein können, dass er inzwischen Nachricht von seiner Frau hat.“
„Und? Hat er?“
„Leider nein. Und wenn, weiß ich gar nicht, ob er seine Alma noch richtig verstanden hätte. Er war nämlich ziemlich hinüber - und die billige Flasche Discount-Weinbrand vor ihm auf dem Tisch auch. Er wollte mir partout davon anbieten. Brrr. Ich glaube er hätte es nicht ungern gesehen, wenn ich ihm Gesellschaft beim Trinken geleistet hätte. Der Fusel hat ihn redselig gemacht.
„Und warum hast du die Gelegenheit nicht beim Schopf gepackt und bist bei ihm geblieben? Weil es bei dem hohen Herrn immer gleich französischer Cognac sein muss?“
„Quark. Was verstehst du schon davon? Du trinkst doch nur Bier.“
„Na und? Das tut schließlich jeder anständige Dortmunder.“
„Vielleicht früher mal, als wir noch Deutschlands Bierstadt Nr. 1 waren. Heute nicht mehr. Aber Bier hin, Fusel her. Schließlich bin ich deinetwegen abgedampft. Und wegen des Katers. Der brauchte schließlich sein Katzenklo.“
„Schön zu erfahren, mit wem man die Stufe auf der Skala der wichtigen Lebewesen teilt.“
„Hör endlich auf, die Mimose zu spielen. Ein bisschen hab ich ja erfahren.“ Volker Lauer servierte seinem Chef vorsichtig eine Art Beruhigungsmittel: „Alma Behrend hatte, wie wir inzwischen wussten, bereits zwei Fehlgeburten. Die erste während ihrer Hochzeitsreise. Übrigens eine Fahrradtour und das mit einer schwangeren Frau. Ich fass’ es nicht. Aber der Beamte … - der Behrend meinte, auch Alma habe sich zu einer begeisterten Radlerin entwickelt, seit sie ihn kenne. Bei der zweiten Schwangerschaft seien sie allerdings mit dem Radfahren etwas vorsichtiger gewesen. Aber als es trotzdem zum Abort gekommen sei, habe er gedacht, das Ganze hänge einzig und allein mit Almas ehemaliger Heroinabhängigkeit zusammen. Und das sagte er ihr leider auch. Es habe sie hart getroffen, aber der Realität müsse man schließlich ins Auge sehen. Es hätte doch nicht ewig so weitergehen können. Eigentlich sei er gegen einen dritten Versuch gewesen, aber Alma habe nicht aufgeben wollen und Verhütungsmittel strikt abgelehnt. Einmal habe er es mit Kondomen versuchen wollen, aber da habe seine Frau sich ihm konsequent verweigert. Geschlechtsverkehr während der Schwangerschaft habe es auch gegeben - wenn auch nicht sehr häufig. Besonders Auffälliges habe er dabei nicht bemerkt. Alma habe immer darauf bestanden, dass das Licht im Schlafzimmer ausgeschaltet bliebe. Aber trotzdem habe er natürlich ihren Leibesumfang bemerkt. Seine Frau habe schließlich 20 Kilogramm zugenommen. So etwas könne man schlecht übersehen.“
„Glaubst du, sie hat sich bewusst so genudelt, um die perfekte Illusion aufrechtzuerhalten?“, fragte Charly und orderte zwei neue Biere.
„Ich weiß nicht“, meinte Lauer nachdenklich, „ein Junggeselle wie ich ist ja nicht gerade Experte in solchen Dingen, aber ich habe schon einmal etwas von einer eingebildeten Schwangerschaft gehört. Dabei soll das eigene Unterbewusstsein einen selbst in die Irre führen. Ich weiß
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