Alpengrollen: Kriminalroman
ewig lange Einstellung von einem Bernhardiner samt Fässchen um den Hals gezeigt. Dazu war die Melodie von Bergvagabunden zu hören gewesen.
»Nein, danke«, wehrte er, zwischen nachlassendem Unwillen und beginnender Sympathie für seinen Gesprächspartner hin- und herschwankend, ab. »Ich habe schon ein Bier vor mir stehen. Lassen Sie es gut sein. Ich weiß ja nicht, welche Sorgen Sie haben, aber ich habe im Moment ausnahmsweise einmal keine. Ich war Ski fahren und will einfach nur meinen Urlaub genießen. Sonst nichts.«
»Natürlich, Herr Polizeipräsident …«
»Exkommissar.«
»Äh, sicher … Richtig. Jawohl. Aber ich sage Ihnen eins. Ich weiß etwas, was Sie garantiert nicht wissen.« Der Gendarm erhob erneut den Zeigefinger. Seine Augen versuchten, Max’ Gesicht zu fixieren, was ihnen aufgrund seines benebelten Zustandes aber nur leidlich gelingen wollte.
»Ja, dann sagen Sie es halt endlich! Herrschaftszeiten noch einmal!« Max haute mit der flachen Hand auf den Tresen. Nicht sehr fest, aber immer noch fest genug, um den desolaten Schandi dazu zu bringen, einen Moment lang geradeaus zu schauen.
»Also gut. Sie haben es so gewollt. Wissen Sie, warum ich heute so viel getrunken habe?« Der abgefüllte Alpencop sah ihn aus blutunterlaufenen Augen an wie ein Quizmaster, der die Hunderttausend-Euro-Frage stellte.
»Nein, natürlich nicht. Weil Sie immer so viel trinken?« Max stöhnte innerlich auf. Wie lange würde der Schwachsinn hier wohl noch weitergehen? Sein Bier war schließlich noch fast voll. Und er hatte nicht die geringste Lust, es in diesem nahezu jungfräulichen Zustand hier stehen zu lassen. Bloß weil der betrunkene österreichische Ganovenfänger neben ihm einfach nicht damit aufhören wollte, wirren Schmarrn an ihn hinzureden.
»Ich habe das Attentat nicht verhindert. Weil ich nicht gut genug aufgepasst habe.«
»Das ist schlecht. Und welches Attentat meinen Sie genau?«
»Welches Attentat werde ich wohl meinen? Das auf die Streif natürlich.« Jetzt war es raus. Der übergewichtige Gendarm nickte mit aufgestützten Unterarmen betrübt in den Tresen hinein.
»Was? Das hätten Sie verhindern können? Und warum haben Sie nicht gut genug aufgepasst?« Max verdrehte die Augen und sah zur Decke hinauf. Wenn Suff und Einfalt zusammenkommen … Schlimm, philosophierte er. Sehr schlimm. Vor allem für die nicht ganz so einfältigen Nüchternen.
»Weil ich nur ganz kurz auf einen winzigen Schluck zum Wirt rüber bin. Ich habe meinen Wachtposten sicher nicht länger als für ein paar Sekunden verlassen. Und genau in dem Moment ist es passiert. Bums!«
»Man soll im Dienst auch nicht trinken.«
»Das hat mein Chef dann auch gesagt und mich für den Rest der Woche zum Innendienst verdonnert. Plus Wochenende. Jetzt kann ich nicht einmal beim Rennen zuschauen.«
»Ja, mei. Der Mensch macht Fehler und wird bestraft. Was soll ich da sagen?«
»Nichts sagen, Herr, äh, … Polizeirat … Nichts sagen. Bloß zuhören. Ich weiß nämlich noch was.« Sein Zeigefinger stieg zum dritten Mal in die Luft.
»Na, dann immer raus damit.«
»Gerne. Aber vorher trinken wir noch eins. In Ordnung?«
»In Ordnung.« Max’ Neugier war endgültig geweckt. Und sein neuer Freund bemühte sich inzwischen sogar, in zusammenhängenden Sätzen zu reden. Also sei nicht so streng mit ihm, Raintaler. Du kennst ihn doch gar nicht. Wer weiß schon, was er sonst noch für Sorgen hat. Ganz einfach ist das Leben als kleiner Beamter in so einem reichen Touristenort sicher nicht. Und so blöd, wie er am Anfang getan hat, ist er gar nicht. Eigentlich ist er sogar ganz nett. Von seinem Vollrausch einmal abgesehen. Und bei der Verkehrskontrolle war er ebenfalls fair und großzügig zu dir. Wer weiß, wie das abgegangen wäre, wenn der durchgedrehte Jungdepp damals einen gleichaltrigen Kollegen dabei gehabt hätte. Das darfst du nicht vergessen. Also, trink ruhig noch ein Bier mit ihm. Vielleicht bekommst du dabei sogar noch etwas wirklich Interessantes zu hören. Wer weiß?
Die Sonne war gerade hinter dem Horizont verschwunden und der Wirt setzte zusätzlich zu den krachenden Stimmungsschlagern, die, wie überall auf den Pisten und Hütten, auch hier pausenlos aus den Lautsprechern wummerten, eine knallbunt blitzende Lightshow in Gang. Max nahm es mit einem kleinen inwendigen Seufzer resigniert zur Kenntnis. Das ist keine Musik, das ist die reine akustische Umweltverschmutzung, dachte er genervt. Die Berge halten sie
Weitere Kostenlose Bücher