Alpenkasper
mittlerweile läuft es wieder.«
»Mittlerweile geht es denen wieder passabel.«
Sie klingelten an der Haustür, nachdem ihnen niemand aufmachte, betraten sie das Haus. Im gelb gestrichenen Hausgang saß ein 30-jähriger Mann an einem Tischchen und rauchte Zigarillo, er begrüßte sie mit einem Winken.
»Servus. Was kann ich für euch tun?«
»Polizei«, stellte Trimalchio sie vor und Tanja ergänzte »Mordkommission.«
»Polizei? Mordkommission?«, fragte der Mann nach.
»Genau, wir suchen einen gewissen Oliver Abraham. Wohnt der hier?«, fragte Tanja.
»Grundsätzlich wohnt der hier«, antwortete der Raucher und zupfte an seinem Augenbrauenpiercing. »Aber im Moment ist es schlecht. Im Moment ist, glaube ich, gar niemand da außer mir. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Gar nicht. Danke.« Trimalchio wandte sich zur Tür.
»Wie macht sich der Oliver so?« Tanja blieb stehen.
»Gut. Seit er bei uns ist, gibt es kaum noch Probleme. Er ist ein ruhiger Typ, der sich gern zurückzieht. Bald muss er gehen. Er wird 18.«
»Hat er Freunde?«
»Leider. Er hat mal ein paar Glatzen mit hierher gebracht. Das mussten wir dann unterbinden. Kann gut sein, dass er die Leute immer noch trifft. Das bekommen wir nicht mit, das geschieht draußen.«
»Dürfen die Insassen hier unbeaufsichtigt raus?«
»Wir sind kein Gefängnis, wir haben keine Insassen. Die müssen sogar unbeaufsichtigt raus, wenn sie zur Schule oder in die Lehre gehen. Dann haben wir schon gewonnen, wenn sie eine Lehrstelle haben. Sieht übrigens nicht schlecht aus für den Oliver. Der hat jetzt was, der fängt eine Maurerlehre an. Das ist aber ein Betrieb auf dem Land. Da wird er schneller hier raus sein, als er muss.«
»Wo finden wir ihn jetzt?«
»Hat er was ausgefressen?«
»Ich stelle hier die Fragen«, beharrte Tanja.
»Oho, den Satz kenne ich aus dem Tatort. Wenn er was ausgefressen hat, dann hat er gegen unsere Regeln verstoßen, dann ist er eh hier raus, wäre trotzdem schade um ihn, er hätte es schaffen können. Haben sie wieder ein paar Ausländer geschubst?«
»Wo wir ihn finden können, hat die Kollegin gefragt.«
»Habe ich eigentlich ein Recht, die Aussage zu verweigern oder wird das schon gegen mich verwendet?«
»Leck mich doch am Arsch.« Tanja beugte sich über den Aschenbecher und blies eine Wolke Staub in das Gesicht des Sozialarbeiters, was ihn heftig zum Husten brachte.
»Ihr seid bescheuert«, war seine Reaktion. »Die sind raus aufs Land, in ein Kaff namens Agawang, da ist heute Schützenfest. Da wollten sie Karussell fahren. Ihr müsst euch nicht beeilen, es besteht keine Fluchtgefahr.«
Trimalchio und Tanja starteten ihren Wagen.
»Weißt du, wo wir hinmüssen?«, fragte sie.
»Ich hatte mal einen Kumpel da draußen. Wir haben öfter in der Gegend gesoffen.«
»Wird sich der Weg lohnen?«
»Wer sich so aufführt, hat was zu verbergen.«
»Oder zu viel fern geschaut.«
Im Haus telefonierte der Sozialarbeiter gerade mit seinem Kollegen auf Ausflug: »Gerade waren die Bullen da und haben sich recht wichtig gemacht. Ich habe sie raus geschickt zu euch. Da kriegen sie dann den Empfang, den sie brauchen.«
Überwachung
Der Nachmittag schritt voran. Die Redaktion hatte sich schon gemeldet, Jakob erkannte die Nummer auf dem Display, die fragte nach seinen Beiträgen. Wenn er nicht bald lieferte, würden die den Platz anders füllen und, was noch schlimmer war, nicht mehr so schnell auf ihn zurückgreifen. Dann war sein Stern am Zeitungshimmel schon wieder verglüht.
Katharina hatte ihm den Schlüssel zurückgegeben und behauptet, es sei ganz in Birnes Sinn, wenn er ihn behalte, wo er ihn ihm doch auch habe zukommen lassen. Jakob betrat also Katharinas Wohnung ohne anzuläuten. In Gang, Küche und Wohnzimmer fand er niemanden außer der Bartagame, die er nicht im geringsten beeindruckte – kein Wachtier. Er klopfte an der Schlafzimmertür und hörte Geräusche aus dem Bad: Die Dusche war an. Jakob klappte seinen Laptop auf, um die Wartezeit sinnvoll zu nutzen. Es ging voran. Sein halber Text war fertig, eine halbe Stunde vergangen, und die Dusche lief immer noch.
Er klopfte an der Badezimmertür: »Katharina, bist du da drin?« Er betrat vorsichtig den Raum. Dampfschwaden hüllten ihn ein, er konnte nichts erkennen. Ein dumpfer Gegenstand traf ihn am Kopf. Er taumelte und musste sich an der Klinke festhalten. Die Sicht wurde klarer, er arbeitete sich vor zur Dusche, schob den Vorhang zur Seite – da war niemand.
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