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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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wir.«
    »Wir sind von der Polizei. Wir suchen den Jugendlichen Oliver Abraham, er sollte sich bei Ihnen aufhalten.«
    »Von der Polizei sind Sie? Da muss ich Sie enttäuschen: Der Oliver ist heute nicht mitgefahren. Der ist heute Nachmittag bei seiner Freundin.« Wie er Tanjas Gesicht runterklappen sah, fügte er hinzu: »Tja, kennen Sie das Buch ›Der Weg war umsonst‹?«
    Tanja drehte sich um. Trimalchio saß am Nebentisch, eine Bedienung war schon bei ihm gewesen. Es stand eine volle Maß Bier vor ihm. Sie schnappte sie ihm weg, trank sie an und sagte: »Wieso trinkst du nichts? Eine wäre doch gegangen, auch wenn du fährst.«
    Sie setzten sich, als sie die zweite Maß hatten, in die Sonne, die genug Kraft hatte, ihnen ordentlich Durst zu machen. Nach 30 Minuten mussten sie nachbestellen. Ein Rentner wankte schwer beladen an ihnen vorbei in Richtung Klowagen. Er nickte sie grüßend an. Auf dem Rückweg setzte er sich zu ihnen. »Gehört ihr zum Bergmüller?«
    »Nein.«
    »Ihr seht so aus, als ob ihr zum Bergmüller gehören tätet.«
    »Das sagen schon mehrere heute«, versuchte Trimalchio weiterzukommen. »Aber wir gehören da nicht dazu.«
    »Wie geht es dem Vater? Packt er es noch bis Weihnachten?«
    Trimalchio gab auf: »Es geht ihm wieder besser. Am Sonntag geht er sogar schon wieder zum Schafkopfen.«
    »Dann sagt ihm einen schönen Gruß.« Er stand auf, klopfte mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte und verschwand im Inneren des Bierzelts.
    »Was denkst du jetzt?«, fragte Tanja.
    »Wie es dem alten Bergmüller wohl geht.«
    »Ich überlege gerade, wie wichtig uns der Oliver heute noch ist; ob wir ihm den Nachmittag bei seiner Freundin nicht einfach gönnen sollten.«
    »Haben zwei Maß genügt, um dein gesamtes Pflichtbewusstsein wegzuspülen, Kollegin? Wer hat denn jetzt vorhin angerufen?«
    »Das waren die drinnen. Ich habe jetzt auch keinen Bock auf Dienst. Erzähl mir lieber von dir daheim.«
    »Weißt du, das ist eine lange Geschichte. Ich bin ein Lump, den Lump, den bringst du nicht aus mir heraus. Ich sage es nur zur Warnung.«
    »Wieso zur Warnung?«
    »Gleich ist 16 Uhr, da ist Dienstschluss, da kommt der Lump in mir wieder raus und dann bist du ganz allein mit ihm. Hast du dir schon mal Gedanken gemacht, wie wir von hier wieder wegkommen?«
    »Was macht denn der Lump, wenn er allein mit mir ist?«
    »Er lädt dich in die Bar ein. Komm mit, du schöne Festdame.«
    Es war 16 Uhr, auf die Minute genau setzte die Blaskapelle eines Nachbarortes mit dem Landkreismarsch ein. Wie aus dem Nichts war das Bierzelt halb gefüllt mit Feierfröhlichen allen Alters. Es wurde auf den Bänken gestanden und mitgesungen, bis die Bedienung mit neuem Bier und gebratenen Vögeln kam. Sie tranken Gespritzte und fielen überhaupt nicht auf in der Bar. Es wurden immer mehr hier drin, wo die Regeln des zwischenmenschlichen Zusammenlebens lockerer gehandhabt wurden als anderswo oder zum Beispiel in Berlin im Club Berghain. Was hieß: Es ging noch nicht richtig zur Sache, aber es wurde viel durcheinandergeknutscht. Hier genoss es Trimalchio, einfach da zu sein. Eine kleine Gruppe einheimischer Trinker vertrieb sich die Zeit bis zum Filmriss mit einem Lied namens »Kaiserin Tschosephine«. Sie sangen: »Bei der Kaiserin Tschosephine, da haben wir Musik gemacht. Die einen spielten die Violine, die anderen kratzten sich am Sack.« Jede Zeile begleiteten sie gestisch. Der Vorsänger teilte mit, dass die Kaiserin krank sei – sie sollten leiser singen, die Kaiserin sei noch kränker – sie sollten flüstern. Schließlich wurde die Kaiserin wieder gesund, und die gesamte Mannschaft, die in der Bar versammelt war, brüllte zur Feier dasselbe Lied noch mal und schüttete Schnaps nach auf die glückliche Rettung der Kaiserin »durch eine Wunderspritze aus Amerika«. Tanja und Trimalchio gefiel das Treiben hier. Hier hatten sich insgesamt weit mehr Promille angesammelt als das Dorf Einwohner hatte, und ein Ende war nicht abzusehen. Musik aus der Konserve – Rock Classics von CD – setzte ein und übertönte die Stimmungskapelle, die im Sitz- und Verzehrbereich des Zelts die Menge auf die Bänke brachte. Es tönte der Auftaktriff von »Smogonsewooter« aus der Anlage. Ein voluminöser Mittfünfziger mit ungesund rotem Kopf stellte sich auf die einfach zusammengenagelte Theke und hob die Hände zu einem Sprung in die feiernde Gesellschaft. »Achtung!« Anders als bei einem Rockkonzert sprangen die vor ihm zur Seite und

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