Alpenkasper
uns ein paar Mal angerufen.«
»Der will wieder Geld, das pressiert nicht. Der soll lernen, sich selbst zu versorgen.«
»Ich glaube nicht, dass der sich traut, dich noch mal um Geld zu bitten. Da geht’s um was anderes.«
Birne schwieg.
»Ich finde es zum Beispiel nicht gut, dass du ihn nicht zum Trauzeugen machen willst. Mir kommt dieser Trimalchio komisch vor. Willst du dir das nicht noch mal überlegen?«
»Ich habe es ihm versprochen.«
»Ihr hattet beide weit über zweieinhalb Promille, geschätzt, als du das ausgemacht hast. Er hätte sich niemals daran erinnert.«
»Ich habe es vergessen – er hat mich daran erinnert.«
»Trotzdem.«
Sie hatten sich schöne Barockkirchen auf dem Land angeschaut, worin es sich gut heiraten ließe. Es waren alles schöne Barockkirchen auf dem Land gewesen, in denen sich gut heiraten ließ. Birne hatte keine Meinung mehr nach diesem Ausflug. Dieser Bananendrink schmeckte überhaupt nicht nach Banane. Künstlicher Bananengeschmack ist etwas ganz Einzigartiges in der Welt, nichts schmeckt gleich, und wenn man ihn nicht zu oft hat, ist er nicht schlecht.
»Ich weiß nicht mal, ob ich ihn einladen soll.«
»Er ist dein Bruder!«
»Er nervt mich, er säuft nicht mal. Wenn er nicht saufen will, hat er auf meiner Hochzeit nichts verloren.«
»Ich will nicht, dass unsere Hochzeit ein einziges Saufgelage wird. Ich will, dass du dich zusammennimmst. Wenigstens einmal, wenigstens für mich.«
Birne sagte nichts, er widersprach auch nicht.
»Wir sollten alle mal an einen Tisch holen, wir und die Trauzeugen, und besprechen, wer welche Aufgaben übernehmen könnte.«
»Du, bei mir ist das in nächster Zeit ganz schlecht, ich bin beruflich so drin. Solange wir den Lugner noch nicht haben, wird daraus wahrscheinlich nichts.«
Sündenrevier
Er schlurfte an den Kaffeeautomaten gebeugten Kopfs und schaute kurz links und rechts, ob auch niemand beobachtete, wie er die Allgemeinheit seiner Kollegenschaft in diesem Haus um 20 Cent für den braunen Saft betrog, der den verdächtigen Geschmack nicht mehr los wurde, seit jemand – schon vor Jahren – in seiner Tasse Schimmel bemerkt hatte, Schimmel, der mit der Brühe in die Tasse geflossen war, weil sich nie jemand für das Putzen zuständig fühlte – bis dahin. Trimalchio bezahlte dieses Gesöff nicht mehr, seitdem nicht mehr, und er putzte die Maschine auch nicht, auch nicht wenn er dazu eingeteilt war, aber er brauchte das Koffein für den Kopf, den gebeugten. Ohne das Koffein hätten die anderen unter seinem Kopf gelitten, dafür hätte er gesorgt.
Tanja. Sie schmiss einen Euro hinein. Sie drehte sich zur Maschine während des Mahlens und Brühens und geheimnisvolle Geräusche Produzierens durch die Maschine. Sie hatte ihn leise gegrüßt. Sie genierte sich allein in seiner Gegenwart in Pausen, wenn sie nichts Geschäftliches miteinander hatten.
»Na?« Trimalchio hatte vor sich auf dem Brotzeittisch eine Schachtel Marlboro und eine liegengelassene Bild-Zeitung liegen. Seine Hand ruhte unabsichtlich auf den Brüsten der Frau auf Seite eins: Einsame angehende Fachärztin, der in ihrem Krankenhaus die Nachtschichten lang werden und die ganz gierig aufzuckt, wenn die rote Nachtlampe vom Problem im Krankenlager kündet. Krepierender Rentner oder der verletzte Fußballer, den eine Phantasie wachhält?
Trimalchios Locken standen wirr, fast verwahrlost in der Luft herum und in die Ringe um seine Augen hätte man eine grandiose Halfpipe betonieren können für die Jugend. Er lehnte sich zurück in seinen Stuhl, wies ihr den Platz gegenüber zu und machte die Zeitung frei. Sie zögerte, das Angebot anzunehmen, fand aber dann keinen Vorwand, schnell zu verschwinden, und setzte sich.
»Den Schock verdaut?« Er lachte, weil er es für einen guten Einstieg hielt. »In 20 Jahren wird das noch unsere größte gemeinsame Geschichte sein auf den Weihnachtsfeiern. Wetten?«
»Wenigstens wäre dann nichts Schlimmeres mehr dazu gekommen.«
Trimalchio schlürfte und süffisierte dann weiter: »Die trauen sich heute nichts mehr. Unsere Zeit ist so gschamig. Verstehst du gschamig?«
»Natürlich.«
»Aber du bist es nicht. Oder?«
»Was wenn?«
»Dann stoppe ich an dieser Stelle unser Gespräch und rede kein Wort weiter.« Er hatte sie zum ersten Mal zum Lachen gebracht, Wind kam in seine Segel. »Eine Zeitlang – und insgesamt ist das gar nicht so lange her – konnten wir in keine Wohnung eindringen, ohne nicht ein, zwei bumsende
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