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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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nehmen. Wenn die meinen, mit ihrer Kunst an die Öffentlichkeit zu gehen, müssen sie mich ertragen. Ich bin keiner dieser inkompetenten Mauler, die am Tag nach jeder Premiere wie Pilze aus dem Boden ploppen. Ich vernichte ein Lebenswerk mit einem Satz, der in 400.000 Kopien am nächsten Tag an den Kiosken liegt. Wenn ich es nicht mache, bin ich wie ein Polizist, der nicht Verbrecher jagt, sondern Blumenbeete anlegt in seiner Arbeitszeit.«
    »Wer könnte Ihnen denn konkret an die Gurgel wollen?«
    Schultzberg überlegte nicht. »Na, der Albert Neun, natürlich. Lesen Sie keine Zeitung?«
    »Hat er Sie bedroht?«
    »Ich bin nicht gesprungen, weil mich jemand umbringen wollte.«
    »Wie hat sich Neun Ihnen gegenüber geäußert?«
    »Der redet überhaupt kein Wort mit mir.«
    »Sie waren gut mit Franzbein befreundet. Sie sind im Theater ein- und ausgegangen.«
    »Der Neun hat das gehasst. Der kommt in dem Laden nicht gut an. Seit er da ist, kriselt es da unten. Der meint, hier Staatstheaterverhältnisse einführen und in der Bundesliga mitspielen zu können.«
    »Es kommt an beim Publikum. Stört Sie, dass Ihre Meinung nicht mehr in der Lage ist, das Haus zu füllen oder leer zu lassen?«
    »Niemals, das ist mir egal.«
    »Es ist ein Spiel. Wer verliert, braucht sich nicht aufzuregen.«
    »Genau.«
    »Sie verheimlichen mir etwas.«
    Schultzberg wurde rot im Gesicht. Er stammelte. »Selbstverständlich verheimliche ich Ihnen was. Ich komme gar nicht auf die Idee, Ihnen hier mein Inneres auszubreiten. Sie verstehen das nicht, was da vorgeht. Wenn Sie sich einmal ernsthaft für einen interessieren würden und nicht nur für den Dreck, den einer am Stecken hat.«
     

Molkerei
    Sie durchfuhren das katholische Herz der Gegend, Birne suchte griesgrämig nach einem Radiosender, der ihn nicht traurig oder wahnsinnig werden ließ und war nicht erfolgreich. Traurig und wahnsinnig nahm er wahr, wie Katharina von der Bundesstraße abbog und eine Straße empor fuhr, die sie zum Werkverkauf einer berühmten Molkerei brachte. In Kürze würden sie Unsummen sparen durch den Erwerb von Joghurts zu Preisen, wie sie sich auf dieser Erde kein Supermarkt leisten konnte. Birne freute sich aufs Joghurtfressen die kommenden Wochen. Diese Molkerei wirbt gern mit ihrer Herkunft aus dem Allgäu. Hier war aber kein Allgäu, beim besten Willen nicht, wobei sich das Allgäu nach vorne fraß in die Welt. Vor 200 Jahren war es kaum mehr als ein paar Käffer, inzwischen bezeichnen sich sogar Mindelheimer und Memminger als Allgäuer, ohne dass sie dafür ausgelacht werden. Allgäuer halten sich nicht nur für bessere Menschen, sie werden auch außerhalb der Region für bessere Menschen gehalten und das wahrscheinlich nur, weil sie in der angeblich schönsten Landschaft der Welt lebten und diese Landschaft diese urigen, originalen Typen formte. Bei denen hat ein Auswärtiger, berichtet das Gerücht, zuerst gar keine Chance, wenn er sich aber hinsitzt und zuhört und selten was sagt, dann knackt er diese Wesen und er hat eine unsterbliche Freundschaft geschlossen. Wegen dieser Ursprünglichkeit will jeder Allgäuer sein, zumindest von da kommen oder seine Milch von da haben, wo die vermeintlich glücklichsten Kühe der Welt grasen. Deswegen warb diese Molkerei mit dem Allgäu und für jemanden im Norden war das auch okay, für die war das da unten eh alles ein grauer Fleck, wo man lustig redete und glückliche Kühe in Bergen hält. Birne wusste, dass daran weniger Wahrheit war als selbst die hier ahnten, die auch alle zum Allgäu gehören wollten, die man noch nicht dazugehören ließ, aber eventuell bald, wenn es sich genügend lohnte. Birne hatte im Herzen des Allgäus gewohnt, die Landschaft war in Ordnung, aber die Menschen, so wie überall, bestimmt nicht besser, gemütlicher, uriger. Nein, dort wo er seinen Finger reingehalten hat, musste er in dreckiger brauner Soße rühren, da stank es dermaßen nach Scheißdreck, dass keinem halbwegs olfaktorisch Fitten noch ein Glas Milchprodukt geschmeckt hätte.
    Sie trugen eben schwere Paletten fruchtigen Joghurts in den Kofferraum; zum Glück war das Wetter bescheiden, mal wieder für die Jahreszeit zu kühl, so dass sie nicht das Verderben der Ware fürchten mussten bis zu ihrer Rückkehr in die schwäbische Bezirkshauptstadt.
     
    »Hast du Jakob angerufen?«, frage Katharina vom Fahrersitz aus.
    Birne studierte das Etikett eines Milchdrinks, er antwortete: »Wieso soll ich Jakob anrufen?«
    »Er hat

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