Alpenkasper

begleitete sie.
    Tanja zögerte: »Hi. Was macht ihr hier?«
    »Saufen«, war Trimalchios Antwort. »Und ihr?«
    »Schauen, was los ist.«
    »Ich zahl euch einen Schnaps.«
    Birne nippte und kippte den restlichen Wodka weg. Trimalchio wollte alles von Tanjas Freundin wissen. Sie selbst und Birne saßen außen vor.
    »Ist dein Junggesellenabschied«, erkannte sie.
    »Ich habe nichts Lustiges an und ich verkaufe auch nichts.«
    »Das macht dich sympathisch.«
    »Wir sind nicht nach München gefahren.«
    »Wie traurig.«
    »Wir hätten euch nicht getroffen.«
    »Wie schade.«
    »Ich bin mit dir auch schon mal gerne ausgegangen.«
    »Birne, das ist vorbei, darüber brauchen wir nicht zu reden.«
    Birne holte seinen Arm hinter ihr hervor. Auf dem Heimweg eine Viertelstunde später, riss er sich zusammen und erbrach sich nicht mehr, obwohl er allein gewesen wäre. Er war jetzt da, wo er nie hingewollt hatte und es sah so aus, als gäbe es im Moment keine Alternative, die ihm das Leben einfach hinschmiss und die er sich packen konnte.
     

Küche
    Das Messer glitt tief ins Fleisch und zerteilte die Fasern. Die Zwiebelteile wurden in der Pfanne glasig vom Öl, das sie heiß umspülte. Die Finger tauchten ins Körperfett des toten Tieres und wurden geschmeidig und glitschig. Lugner weinte vom Zwiebelsaft.
    »Die nehmen uns nicht ernst.« Schnitt ins Fleisch. »Wir müssen was unternehmen, damit die uns spüren, damit die merken, dass mit uns zu rechnen ist.« Die Fleischwürfel landeten im Topf, es zischte. Das Fleisch verbrannte. »Jetzt haben wir die Bombe schon gebaut, jetzt lassen wir sie auch hochgehen.« Lugner schraubte am Korken eines derben Rotweins. »Einen blöden Kantinenwirt in die Luft jagen – keiner redet mehr davon. Der Nächste, der explodiert, ist ein Kopf mit Rang und Namen.« Er inhalierte Rotweindampf, als er die Flasche in sein Gulasch kippte, selbst soff er auch noch was von dem roten Saft. »Der Bischof ist dran. Dem nehmen wir seinen besten Mann. Ihn selbst mag ich, so einen könnten wir brauchen, was mich an ihm stört, ist, dass er katholisch ist, ernsthaft, also beinahe so, dass er sich darauf hinausredet, wenn es drauf ankommt. Arschloch blödes. Also gut, dann platzt er eben.« Lugner schloss den Deckel, das Gulasch kochte, in eineinhalb Stunden konnte er sich einen Gichtanfall anfressen.
     

Mitleidstour
    Sein Daumen wählte die Nummer, während er vor dem Haus stand, in dem sein Bruder mietete. Birne hörte sich das Anklingeln an und die Ansage der Mailbox. Er legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Er suchte in der Umgebung nach einer Bank, auf der er sich zum Warten niederlassen konnte. Er entdeckte eine Bäckerei, kaufte sich einen Kaffee und behielt den Eingang im Blick, nebenzu studierte er in einem Anzeigenblatt das Kinoprogramm. Noch ein Kaffee, noch ein Testanruf, noch einmal die Mailbox. Birne entdeckte eine Meldung, in der davon die Rede war, dass eine Frau, eine alte, ausgerutscht, das Bein gebrochen, nicht mehr hochgekommen, schließlich in der eigenen Wohnung verhungert sei. Der ausgehungerte Bowlefrüchtenascher Jakob, dachte sich Birne.
    Ein riesiger, bärtiger Mann kam aus dem Haus, Birne betrachtete ihn und hätte weiter gelesen, wenn ihm nicht die Hand aufgefallen wäre: Sie hing unnatürlich steif an dem Menschen. Birne ließ seinen halben Kaffee zurück und stürzte sich auf den Kerl, packte ihn von hinten an der Schulter und drehte ihn um. Auge in Auge wusste er atemlos zuerst nichts zu sagen. Die Hand war eine Prothese.
    Der Einhändige grinste: »Kennen wir uns?«
    »Ich glaube nicht, ich habe Sie eben aus dem Haus kommen sehen, ich bin auf der Suche nach meinem Bruder, vielleicht kennen Sie den: Jakob …«
    »Nein, Jakob kenne ich keinen«, unterbrach ihn der andere und grinste wieder, breiter. »Auf Wiedersehen.«
    »Wohnen Sie da drin?«
    »Nein.«
    »Was haben Sie da gesucht?«
    »Liebe.«
    »Was ist mit Ihrer Hand passiert?«
    »Sie hat versucht, Böses zu tun, da habe ich sie mir abgetrennt.«
    Ohne sein Grinsen aufzugeben, befreite er sich aus Birnes Zugriff und setzte seinen Weg fort. Birne ging ihm nach in der Absicht, ihn aufzuhalten, ließ aber ab. Erst als er um die Ecke gebogen war, folgte er ihm. Unauffällige Beschattung.
    Der Mann stieg in eine Straßenbahn, Birne hinterher, andere Tür. Viel los, sie mussten stehen. Der Mann grinste Birne an, er lockte ihn. Birne arbeitete sich zu ihm nach vorne. Die Straßenbahn hielt, Fahrgäste stiegen aus,