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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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Frau«, rutschte es Birne einfach so heraus.
    Sie bremste und drehte sich zu ihm hin, schaute ihn an und ließ dann ihren Kopf gegen seine Schulter fallen. Er umarmte sie. Sie standen eine Weile, in der nichts passierte, außer dass sie ein paar Mal ihren Kopf an seinem T-Shirt rieb.
    Er schob sie weiter und überlegte, ob er sie jetzt nach dem Ausschnitt fragen konnte.
    Sie bogen in die Straße ein, die zum Bahnhof führte, da fragte sie: »Du wohnst nicht weit von hier?«
    »Nein, weit ist es nicht.«
    »Willst du noch was trinken? Irgendwo?«
    »Du, ich bin total müde. Tut mir leid«, behauptete Birne. Er wusste nicht, ob er wirklich sich damit meinte und wunderte sich, wie wenig er über sich wusste.
    »Ich habe ein bisschen Zeit bis der Zug fährt.«
    »Ich bringe dich hin.«
    Sie standen am Bahnsteig. Beide angetrunken. Sie hatte plötzlich Lust zu rauchen und schnorrte jemanden am Raucherpunkt an. So rauchten sie. Der, der ihnen die Zigarette gegeben hatte, war ein alkoholkranker Alter in einer schmierigen Lederjacke und mit einer Bierdose für das Tagesende. Er schaute rüber zu den Polizisten in Zivil. In seinem Blick lag ein Vorwurf, ein Vorwurf an Birne, weil dieser sich keine eigenen Zigaretten für die Frau leisten wollte.
    Tanja schaute ihn an und lächelte auf einmal. Das wurde Birne unangenehm, im Sinne von peinlich, weil er nicht wusste, wie er reagieren sollte. Er hätte was sagen sollen, als sie das mit dem Zug gesagt hatte. Er hatte es nicht gesagt und konnte jetzt nicht beantworten, wieso nicht. Dafür kam er sich blöd vor. Und sich blöd vorkommen und am Bahnhof vor einer Frau mit Zigarette stehen, ist unangenehm. Birne sehnte sich nach dem Zug, mehr als jeder hier, der ihn nehmen wollte.
    »Hättest du mit zu mir auf ein Getränk kommen wollen?«, fragte er in ihr Grinsen, als es ihm unerträglich wurde.
    »Nein«, sagte sie. »Morgen ist ja Dienst, da ist es vielleicht besser, wenn jetzt Schluss ist.«
    Birne nahm an, ein leichtes, verächtliches Grunzen vom Zigarettenspender zu hören. Den Penner ging das gar nichts an.
    Der Zug kam, sie umarmten sich. Birne beobachtete vom Bahnsteig aus, wie sie in der Regionalbahn Platz fand und nahm und wie sie ihm keinen winzigen Blick mehr schenkte.
    Was war er nur für einer? Er war wieder auf dem Heimweg. Allein. Es gab da eine Kneipe, die leuchtete neongelb und suspekt auf den Gehsteig. Sie hieß ›Utes Rosenaustüberl ‹ und löste mehr Angst als Durst aus. Sie stank nach altem Bier und Rauch und das von Weitem. Birne fand, dass er im Moment nichts Besseres verdient hatte. Trotz der Temperaturen war der Laden gut gefüllt – hauptsächlich von Kunden, die nichts Besseres verdient hatten. Birne ließ sich von der Frau hinter der Bar ein Helles eingießen und sich dann im Eck auf einer Bank nieder. Das Treiben vor seinem Auge fand ohne seine innere Teilnahme statt. Er dachte darüber nach, was heute Abend passiert war. Das konnte man nicht passend beschreiben. Er kam zu dem Schluss, dass er Tanja nicht wirklich mochte, dass sie ihm außer einem schön gesoffenen Äußeren nichts zu bieten hatte und dass das der Grund für sein komisches Verhalten war. Was hätte morgen alles geredet werden müssen, wäre es anders gekommen, als es gekommen war! So konnten sie sich höflich aus dem Weg gehen. Es gab so viele Menschen auf der Welt, da brauchten sie sich doch nicht.
    Zwei Herren nahmen an seinem Tisch Platz, nachdem sie ihn um Erlaubnis gefragt hatten. Höfliche Herren, die es recht wichtig hatten.
    »Für mich spinnt sie völlig, das wird immer schlimmer mit dem Alter, die spinnt immer mehr, je älter sie wird«, sagte der eine.
    Der andere nickte und bestätigte: »So sind sie.«
    Birne bemerkte, dass das halb leer getrunkene Bier in seinem Glas nicht einen Funken Schaum mehr hatte, dass nichts darauf hinwies, dass das mal Bier war, das kalt und wild aus einem Hahn gesprudelt war. Traurig nahm er einen tiefen Schluck und stellte fest, dass er nicht mehr konnte. Er würde dieses Bier nicht leer trinken, er hasste dieses Bier. Er stand auf, bezahlte der Frau hinter der Bar einen völlig unangemessenen Preis für ein dermaßen beschissenes halbes Bier, hatte aber, als seine Sohle den Asphalt berührte, immer noch das Gefühl, nichts anderes verdient zu haben. Nie wieder.
    Er war besoffen, die kurze Reststrecke kam ihm weit vor. Er bemühte sich, nicht zu schwanken. Daheim nahm er eine Kopfschmerztablette und legte sich wütend ins Bett, wütend, weil

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