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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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waren zu hoch. Er blickte hinüber, sie beachtete ihn nicht, war möglicherweise eingeschlafen, sah aber nicht gut aus, sah aus, als kämpfe sie auch gegen Drücken im Kopf und Würgen, das Eis wurde ihr wohl zum Verhängnis, die rote Kugel steckte im Hals.
    Birne fragte sich, was das werden würde, er sah keinen Sinn mehr darin, sich zu quälen, er wollte fort von hier, seine Wohnung war nicht weit weg. Er konnte sich bei geschlossenen Rollläden in sein Bett legen und warten, bis die Sonne weg war. Er konnte Tanja anbieten, sich neben ihm auszustrecken, einfach so, unschuldig wie Kinder, den Tag einfach zu verpennen und dann abends bei der Rückkehr ins Revier schmunzelnd die Erfolglosigkeit trotz enormer Anstrengungen berichten. Aber sie steckten nicht mehr unter derselben Decke, sie waren lediglich Kollegen, die sich nicht sonderlich gut verstanden und da jetzt durchmussten, bis ihnen das Schicksal was anderes zuwarf, etwas, das sie auseinanderbrachte, am besten in verschiedene Städte. So weit war es schon gekommen, dachte Birne und schlief triumphierend ein, weil er so dem Tag einige seiner Qualen stehlen konnte.
    Unter Bedingungen wie diesen kann kein Mensch mehr als ein paar Minuten dösen. Birne erwachte. Ein paar Minuten, in denen er Entscheidendes verpasst hatte: Tanja hatte Gesellschaft bekommen. Ein riesiger Mann mit dunklem, vollem, lockigem Haar, dessen wuchtiger Oberkörper in einem grün-karierten Hemd steckte, stand neben ihr. Er trug Hosenträger und wahrscheinlich eine Brille. Das Gespräch der beiden, das Birne nicht belauschen konnte, verlief dem Anschein nach friedlich. Woher war der Typ auf einmal gekommen? Was wollte er? Birne stand auf und vermied den Tritt in den Hundehaufen. Er betrat die Brücke, lehnte sich über das Geländer und blickte in die träge fließende Wertach. So war er näher dran, konnte zwar immer noch kein Wort verstehen, aber hören, dass der Fremde lachte und Tanja dieses Lachen erwiderte. Merkwürdig. Birne war, nebenbei bemerkt, überhaupt nicht eifersüchtig, wenngleich er sich schon fragte, was so einer Witziges sagen konnte zu einer Dame wie Tanja.
    Der Mann setzte sich neben sie und Birne konnte sein schreckliches, wurstiges Gesicht sehen und Tanjas vorwurfsvolle Blicke. Er setzte sich neben sie, so breit er konnte und bemerkte den Zuschauer auf der Brücke nicht. Er lachte derb und berührte Tanja mit seinen Fingern an ihrer nackten Schulter und fuhr ihr zärtlich eine Form auf die Haut mit seinem Zeiger – wie ekelhaft, wie er versuchte, dabei sinnlich zu wirken. Tanja beherrschte sich irgendwie. Birne spuckte laut und unter Aufbietung seines letzten Speichels aus seinem ansonsten trockenen Rachen in das Wasser unter ihm und durchquerte langsam den letzten Raum, der zwischen ihnen verblieben war. Jetzt wurde er genau gemustert von den unter breiten Brauen blitzenden Augen des Bärtigen. Birne ließ sich nicht beirren, auch nicht von Tanja, die sich voll auf ihn und jeden seiner Schritte konzentrierte. Nichts würde zwischen ihnen passieren, solange Birne an ihnen vorbeischritt . War er dabei, alles zu verderben? Was war los? War das alles nicht lächerlich in Anbetracht der Temperaturen? Das war ein Zweikampf zwischen einem Überflüssigen und einem, der dazwischenfunken soll. Birne würde im Moment nur unterliegen, doch er konnte es hinauszögern, den Triumph des anderen schrumpfen lassen zu einem Pyrrhussieg.
    Sein Weg führte ihn weg unter Bäume, den Fluss aufwärts ins Nirgendwo, an die Tresen zahlreicher Kioske, deren Angebot zu nutzen, er fest entschlossen war.
    »Hey! Was soll das?«, hörte er Tanja sagen, und sie klang sehr ungehalten.
    Birne dreht sich um und sah den großen Mann, wie er mit den Worten »Jetzt komm« versuchte, die blonde Frau zu umarmen und zu küssen. Was für eine Dreistigkeit am helllichten Tag.
    Birne näherte sich beherzt und wurde, ohne dass der Mann das wahrnehmen konnte, von Tanja durch Gesten in die Ferne zurückgeschickt. Birne blieb ratlos stehen. Der Mann machte sich zum Erschrecken sowohl Tanjas als auch Birnes daran, an ihrem Shirt zu zerren, es ihr vom Leib zu reißen. Gewalt.
    »Ich glaube, die Dame zöge es vor, von Ihnen in Ruhe gelassen zu werden, Schweinemann«, sagte Birne und spürte mit jeder Silbe seine Wut wachsen.
    Der Fummler ließ ab, drehte sich um und sagte: »Was willst denn du, du Schlappschwanz?«
    »Das können wir auf dem Revier …«, konnte Birne noch antworten, schon lag er umgeschubst auf dem

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