Alpha: Thriller (German Edition)
zu machen«, sagte er tadelnd. »Wir haben Sie einstweilen leben lassen. Dafür sollten Sie dankbar sein.«
Sie ignorierte ihn, und sie fuhren schweigend weiter. Der Wagen passierte das Tor, das zum CERN-Labor führte; eine ziemlich bescheidene Absperrung, die den Eindruck machte, als schütze sie nichts anderes als ein normales, alltägliches Gewerbegebiet. Sie fuhren an gesichtslosen Bürogebäuden, provisorischen Baracken und gelegentlich einem größeren, aus Beton errichteten Laborkomplex vorbei. Lynn erstaunte es nicht, dass das Gelände, genau wie das Tor, sich absolut nicht von einem üblichen Industriegebiet unterschied.
In ihrer Zeit bei der NASA hatte sie gelernt, dass viele weltberühmte und hoch angesehene wissenschaftliche Anlagen, die sich die Öffentlichkeit gern aus makellosem, schimmerndem Edelstahl und modernster Elektronik bestehend vorstellt, in Wahrheit oft deprimierend banal wirkten. Offenbar machte das CERN da keine Ausnahme.
Nach ein paar Minuten hielten sie vor einem Bau, der offenbar das Verwaltungszentrum darstellte. Der Beifahrer vorn stieg aus und öffnete Eldridges Tür, worauf der Hüne ausstieg und Lynn hinter sich herzerrte.
Sie traten durch die schweren Eingangstüren, und Lynn sah erstaunt, dass das Foyer um einiges luxuriöser ausgestattet war, als das Äußere vermuten ließ. Aber andererseits, überlegte sie, hing die Forschung, die hier durchgeführt wurde, zu einem großen Teil von Spenden und externer Finanzierung ab, und ihrer Erfahrung nach ließen sich Menschen, die die Schecks dafür unterschrieben, gern stilvoll bewirten.
Ein paar Leute gingen umher, und Eldridge achtete darauf, keine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass eine Frau mit Handschellen an ihn gefesselt war. Der Sicherheitsmann am Empfang bemerkte es, nickte Eldridge aber nur zu.
Sie schwiegen weiter, während sie durch das Foyer gingen, und Lynn fielen die ersten Schilder auf, die auf den großen Teilchenbeschleuniger hinwiesen und in mehreren verschiedenen Sprachen gehalten waren. Sie bogen in einen langen Gang ein und folgten ihm bis zum Ende, und trotz der Umstände stellte Lynn fest, dass sie aufgeregt darüber war, hier zu sein. Der LHC war das wissenschaftliche Mekka der Welt, und sie hatte sich schon immer gewünscht, ihn zu sehen.
Eldridge bemerkte ihr Interesse und lächelte. »Sie wollen den Teilchenbeschleuniger sehen, was?«, fragte er. Als Lynn ihn ignorierte, sprach er trotzdem weiter. »Steht leider heute nicht auf dem Programm, Dr. Edwards. Aber was Sie gleich zu Gesicht bekommen, ist noch viel außerordentlicher, glauben Sie mir.«
Lynn hasste den Mann neben sich, aber sie hegte den Verdacht, dass er in diesem Fall sogar recht haben könnte.
Sie fanden den Aufzug am Ende des linken Gangs und traten hinein, ohne sich aufzuhalten. Eldridge drückte auf den Knopf für die Ebene, auf der sich, nur hundert Meter unter der Oberfläche, der Teilchenbeschleuniger befand. Sobald der Aufzug anhielt, zog Eldridge einen Kartenschlüssel hervor und steckte ihn in einen unauffällig angebrachten Schlitz, und der Lift setzte sich erneut in Bewegung, tiefer in die Eingeweide der Erde hinab. Lynn fühlte sich sofort an ihre unterirdische Fahrt in Area 51 erinnert.
Noch eine Minute später und bestimmt weitere hundert Meter unterhalb der Tunnel des Teilchenbeschleunigers hielt der Aufzug schließlich endgültig.
Die Tür glitt auf und enthüllte einen riesigen, luxuriösen Konferenzraum. Er war voller Menschen, gut über hundert, und als Lynn die Gesichter betrachtete, meinte sie, viele davon zu erkennen.
Da war Scott Keating, der bekannte Hollywoodstar; Roman Parlotti, der berühmt-berüchtigte italienische Medienmogul; Kristina Nyetts, die Direktorin der weltgrößten Pharmafirma; Tony Kern, Sonderberater des US-Präsidenten und viele andere. Das waren also die Bilderberg-Hundert, und dazu kamen noch die Männer der Alpha-Brigade. Die mächtigsten Menschen der Welt, zusammengekommen in der Hoffnung, noch mehr Macht anzuhäufen, koste es, was es wolle.
Und dann schweifte ihr Blick in eine Ecke, und sie sah Samuel Atkinson, den Generaldirektor der NASA, der lässig an einer Champagnerflöte nippte und angeregt mit Stephen Jacobs plauderte, dem Schöpfer dieses ganzen wahnsinnigen Projekts.
Der Anblick ihres ehemaligen Vorgesetzten, eines Mannes, dem sie vertraut und der sowohl sie als auch ihr ganzes Team verraten hatte, zerschmetterte den Rest an Fassung, den sie sich noch bewahrt hatte. Da
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