Alphawolf
Fall, der Eimer fiel ihm aus den Händen und rollte zwischen den Wölfen hindurch.
Augenblicklich nahm Tala ihre Waffe hoch. Sie zielte auf die Wölfe, die sich auf Walt stellten, um ihn am Boden zu halten. Der Finger am Abzug zuckte, aber noch drückte sie nicht ab, denn alles in ihr sträubte sich dagegen, auf die Tiere zu schießen. Ihr Verhalten machte ohnehin eher den Anschein von Drohgebärden, sonst hätten sie längst zugebissen.
Plötzlich erhob sich die Beute. Im Augenwinkel nahm Tala wahr, dass einige Wölfe durch das Zimmer geschleudert wurden. Doch sie hielt weiterhin Walter im Blick.
Gerade als sie schießen wollte, sprang ein Timberwolf sie an. Tala ging zu Boden. Die Waffe hielt sie trotzdem fest umklammert. Aber sie schlug mit dem Hinterkopf auf dem harten Linoleum auf und blieb auf dem Rücken liegen. Benommen nahm sie wahr, dass der schwarze Wolf sich mit den Vorderpfoten auf sie stellte. Er knurrte sie aggressiv an. Seine Zähne befanden sich unmittelbar vor ihren Augen.
Tala war wie gelähmt. Heb die Waffe an und schieß, sprach sie zu sich selbst, doch sie konnte sich nicht bewegen. Die stolzen Augen des Wolfes hielten sie in ihrem Bann. Er blickte ihr geradewegs in die Augen und knurrte so laut, dass es nicht wie eine Drohung klang, sondern nach einer Stinkwut. Timberwölfe waren eine der größten Unterarten, aber dieses Exemplar war ein wahrer Gigant – den Tala sauer gemacht hatte. Ihr Herz schlug so heftig in ihrem Brustkorb, dass sie befürchtete, es würde zerspringen.
Das Tier starrte sie an, sein Fell war dunkel wie Ebenholz. Es war wütend, weil sie in seine Jagd eingriff und auf Rudelmitglieder gezielt hatte. Und er war nur wenige Zentimeter davon entfernt, mit seinen Reißzähnen ihre Kehle zu zerreißen.
Auf einmal kam ein Wolf heran. Es war der graue MacKenzie, der sie gewarnt hatte, sich einzumischen. Er winselte und leckte die Lefzen des Timberwolfs. Der Schwarze reagierte nicht sofort. Erst nach einigen weiteren quälenden Sekunden ließ er von Tala ab. Seite an Seite liefen die beiden wieder in das Labor hinein.
Erleichtert atmete Tala aus. Sie zitterte, stand auf und sah, dass die Wölfe durch die Scheibe, die ihr Querschläger zerstört hatte, flüchteten. Ihre Beute war auch fort. Wahrscheinlich jagten sie ihr hinterher.
Da sah Tala, dass einer der Wölfe gegen die Hauswand geworfen wurde. Er jaulte auf und fiel wie ein Stein zu Boden. Das war höchst ungewöhnlich. Wer besaß die Kraft und den Schneid, ihn durch die Luft zu schleudern? Auf keinen Fall einer der Wölfe. Und jeder Mensch würde vor einem Rudel Wölfe fliehen.
Walt kniete in einem Meer aus Blutspuren. Einige der Tiere mussten sich verletzt haben. «Bist du okay?»
Sie nickte. Das Labor sah aus wie ein Trümmerfeld. «Und du?»
«Sie haben nicht zugebissen.» Er schüttelte ungläubig seinen Kopf. Selbst er musste zugeben, dass das an ein Wunder grenzte.
Während Walt hocken blieb, das Gesicht immer noch kreidebleich, lief Tala zum Fenster. Sie spähte auf den Parkplatz. Es hatte wieder zu schneien begonnen. Die Sicht war schlecht, aber Tala meinte einen Menschen im Schneegestöber auszumachen, der vor den Wölfen floh. Doch sie sah ihn nur kurz, denn er verschwand gerade hinter den Bäumen, die den Parkplatz säumten. Trug er einen erlegten Wolf über der Schulter? Sie glaubte, Fell gesehen zu haben, aber ein Wolf war es nicht, denn er lief auf zwei Beinen. Vielleicht hatte sie sich auch getäuscht, denn eine Schnauze meinte sie auch ausgemacht zu haben. Wahrscheinlich war es doch ein Wolf.
Der Schneefall verzerrte die Dinge.
Unter dem Fenster lag der Wolf, der gegen die Wand des Krankenhauses geworfen worden war. Sie sah kein Blut, aber er lag benommen im Schnee. Eine Pfote zuckte. Es handelte sich um einen Rotwolf, eine kleine Unterrasse, aber dieses Exemplar war ohnehin noch sehr jung.
Gerade als sie das zweite Fenster des Labors öffnete und hinaussprang, kehrte ein Grauwolf zurück. Es war ein schlankes Tier, eindeutig eine Fähe. Tala richtete ihre Waffe auf sie, nicht nur um sich selbst zu schützen, sondern sie verspürte auch einen großen Drang, den kleinen Rotwolf zu beschützen. Das Rudel konnte ihm nicht helfen, sie dagegen schon.
Die Wölfin drehte sich um und lief ihrem Rudel hinterher.
Tala sicherte ihre Waffe und steckte sie weg. Sie kniete sich neben den Rotwolf. Er hob seinen Kopf und es sah so aus, als kostete ihn das große Mühe. Diese traurigen Augen! Sie erweichten
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