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Alptraum in Pink

Alptraum in Pink

Titel: Alptraum in Pink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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hässliche, lange, unregelmäßige, tiefe Narbe, die von ausgefranstem, weiß glänzendem Gewebe gesäumt war.
    Sie machte ein pfeifendes Geräusch, als sie die Luft durch die Zähne einsog, dann streckte sie die Hand aus und fuhr mit ihren heilenden Fingerspitzen die Narbe entlang. Das ist der Test für eine ganze Frau. Die Zimperlichen wenden sich mit Entsetzen ab. Das sind die halbfertigen Frauen, die empfindlichen, die zurückzucken und im Bett nie wirklich etwas taugen. Eine reife Frau meistert die Tatsachen des Lebens besser, als das ein Mann je kann. Sie ist verbunden mit den grundlegenden Dingen des Lebens, der elementaren Dynamik von Tod und Geburt, mit allem Blut, Schmerz und Schmutz, sie schafft Ordnung und heilt. Darin liegt der Grund für die ausdauernde Lebenslust der Frauen, mit der sie ihre Ziele und Bedürfnisse verfolgen. »Man hat dich verletzt«, sagte sie. Auch das ist eine der grundlegenden Feststellungen des Lebens.
    »Früher bin ich ganz romantisch durch die Gegend gehumpelt.«
    »Sollte mich nicht wundern.«
    »Die Wunde hat sich entzündet, und ich war in einer Lage, in der ich sie nicht behandeln lassen konnte.«
    »Weshalb nicht?«
    »Ein paar Leute waren hinter mir her.«
    »Du hättest das Bein verlieren können.«
    »Ich weiß.«

    Es war ein riesiges Loft, das voller Masken und moderner Malerei hing, voller karibischer Klänge und Stimmengewirr, mit spärlicher Beleuchtung, einer kargen Ansammlung von Sperrmüllmöbeln, zahlreichen, verschmutzten Kissen und vierzig oder mehr Gästen. Ich fand einen Stehplatz an einer Wand, an die ich mich anlehnen, und ein Glas, an dem ich mich festhalten konnte. Die Hälfte der Gäste hatte, wie Nina auch, den leicht verlegenen Gesichtsausdruck derer, die es nach oben geschafft haben. Die anderen legten die prahlerische Arroganz jener an den Tag, die zu der Gruppe zählten, die gerade in war, redeten in ihrer eigenen, verschlüsselten Sprache und stellten ihre zwanghafte Verachtung der anderen zur Schau. Es hatte sich nichts verändert, seit ich das letzte Mal vor vier Jahren eine Party in dieser Gegend besucht hatte. Ich konnte die einzelnen Typen klar ausmachen: die wilden, traurigen, bärtigen jungen Männer und ihre Mädchen in Ballettschuhen, aber ohne Büstenhalter; die Zickige Tunte, die Orgiastische Tänzerin, den Vorzeige-Neger, die Tapferen Ehepaare, die Eifersüchtige Lesbierin, den Kommenden Stückeschreiber, das Mädchen, das sich später übergeben würde, den Symbolischen Kommunisten, die Traditionelle Nymphomanin, den Neugierigen Touristen und den Weisen Alten Bildhauer mit Mundgeruch.
    Immer wieder erblickte ich meine Nina auf der anderen Seite des Raumes in dem dunkelgrünen, flauschig-weichen Kleid und der Halskette aus Goldmünzen. Ich hatte ihr den Reißverschluss des Kleides zugezogen und diese kleine, zeremonielle Handlung in ein so ausgedehntes Spiel verwandelt, dass wir die Party beinahe verpasst hätten. Jedes Mal, wenn ich ihrem blauen Blick begegnete, waren wir ganz allein, so, als ob es die anderen gar nicht gäbe.
    Gelegentlich pirschten sich Leute an mich heran, löcherten mich mit Fragen und wollten herausfinden, zu welcher Tiergattung ich wohl gehörte. Eine klapperdürre Blonde mit einem mächtigen Knutschfleck auf dem farblosen Hals kam herüber, lehnte sich freizügig an mich und sagte: »Bescheuerte Flaschen, Röhren und Töpfe. Sie hat ein winziges bisschen Talent, aber das ist echt. Stimmt’s? Was machen Sie denn so, Großer? Sind Sie auch so altmodisch wie der andere Typ, der Investmentbanker?«
    »Ich mache in Schifffahrtszubehör«, entgegnete ich ernst.
    »Was machen Sie, Großer?«
    »Die Freizeitgesellschaft Amerikas hat die Wasserwege entdeckt. Ein bootfahrendes Amerika ist ein gesundes Amerika.«
    Sie löste sich von mir und schaute mich schief an. »Ach, du meine Güte«, meinte sie.
    »Wir bringen gerade eine neue Serie von Nylonklampen in modischen Farben heraus.«
    Sie bewegte die dünnen Lippen, als ob sie ausspucken wollte, dann kratzte sie sich und entschwand.
    Ein rundlicher, junger Mann mit blonden Locken erklärte mir, dass er und ein lieber Freund auf jeweils genau fünf Seiten ein und dasselbe sexuelle Erlebnis beschreiben würden, mit derselben Schreibmaschine und genau im gleichen Zeilenabstand, dann würden sie die Seiten in der Mitte senkrecht durchschneiden und so wieder zusammenkleben, dass die linke Hälfte der Seite von einem anderen geschrieben worden wäre als die rechte. Danach

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