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Alptraum in Pink

Alptraum in Pink

Titel: Alptraum in Pink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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würde ein weiterer lieber Freund das zehnseitige Manuskript abschreiben und dabei die Übergänge mit Wörtern füllen, die ihm gerade einfielen.
    »Die Dualität macht das Ganze so zauberhaft«, meinte er. »Es ist ein wahrhaftes, zusammengesetztes Bild unseres Selbst. Charles glaubt, wir sollten es veröffentlichen. Inzwischen haben wir schon fünfzehn davon. Wir verkaufen Anteile zu je fünfzig Dollar.«
    »Ich verkaufe Schiffszubehör.«
    »Ach?«
    »Vielleicht könnten Sie diese Methode einmal ausprobieren und Werbetexte für unsere neuen Kunstteakplanken schreiben?«
    »Das soll wohl ein Witz sein.«
    »Sie könnten sich ja mal bei unserer Werbeagentur erkundigen. Die nehmen manchmal ganz irre Sachen. Wissen Sie, so wie Picasso. Solche Burschen.«
    »Wie Picasso«, sagte er schwach. »Solche Burschen.« Er fuhr sich durch die Locken und trollte sich.
    Ich traf auch ein paar nette Leute. Gute Freunde von Nina, ein Mädchen mit ruhigen, schönen Augen und ihren trockenen, liebenswerten Mann, der für einen Verlag arbeitete. Sie nahmen Nina regelrecht in Schutz, musterten mich mit großer Sorgfalt und gaben skeptisch ihre Zustimmung. Ich lauerte Nina in einer Ecke auf und fragte: »Lang genug hier gewesen?«
    »Vielleicht können wir es noch zehn schreckliche Minuten aushalten.«
    »Fünf«, sagte ich und schaute in das Blau, hinunter in das
    Blau. Ich war kurz davor, mich in die Tiefen des Blaus zu stürzen.
    Sie biss sich auf die Lippen, riss die Augen auf und sagte: »Drei.«
    »Minuten oder Sekunden?«
    »Hol meinen Mantel, und ich verabschiede uns solange.«
    Und so kurvten wir unter Lachen in einem Taxi nach Hause, kletterten die Treppen hinauf, und langsam und liebevoll und mit tausend kleinen Unterbrechungen zog ich sie aus und legte sie auf das zerwühlte Bett. Wir wälzten und umarmten uns wie liebestolle Teenager, dann wurden wir ernst und verfielen in unsere abschließende Zeremonie. Dieses Mal rief sie: »Trav, Trav, Traviiisss!« In dieser Nacht wachten wir immer wieder eng umschlungen auf. Was wir taten, schien unseren Hunger eher zu steigern, als ihn zu stillen oder zu vermindern. Wir reagierten heftiger auf jede sensible Berührung, wurden geschickter und wussten nach jedem Versuch mehr voneinander. Es kommt selten vor, dass man derart besessen ist, dass man jedes Mal mehr verlangt, bis sogar Zärtlichkeiten, die lediglich Zuneigung und Dankbarkeit und schläfrige Gewohnheit bedeuten, selbst wieder langsam zur nächsten Ouvertüre werden, zur nächsten Schwelle, zur nächsten hellwachen Steigerung des Verlangens und der Begierde. Wir erfanden, nutzten, erkannten und lernten neue Zeichen und Hinweise in einer besonderen privaten Sprache, erneuerten damit unser Verlangen, frischten Gerüche, Aromen und Genüsse auf. Wir passten genau zusammen, wussten dies, lernten etwas Neues hinzu, entdeckten mit süßem Stöhnen das unerschöpfliche Hier und das bedenkenlose Jetzt.
    Im frühen Tageslicht des Sonntags zog ich mich langsam an. Sie lag wie dahingegossen duftend im zerwühlten Bett, schlief tief und honigsüß. Als ich fertig angekleidet war, setzte ich mich auf die Bettkante und küsste ihre salzige Stirn und ein verschmiertes Augenlid. Sie murmelte, hob langsam den unglaublich schweren Kopf und schaute mich aus einem schmalen, verquollenen Gesicht an. Dann sprang sie plötzlich auf mich, schlang ihre weichen Arme um meinen Hals, hing schwer an mir und sagte undeutlich: »Geh nicht weg.«
    »Ich komme wieder.«
    »Mmm.«
    »Schlaf du dich aus, Liebling.«
    »Mmm.«
    Ich küsste und streichelte sie, und sie reagierte sofort mit eingespielten, sinnlichen Bewegungen. Ich lachte, lockerte ihre Arme und legte sie wieder hin. Ich deckte sie zu und tätschelte den hohen, runden Hügel ihrer Hüfte. Sie murmelte etwas und war sofort eingeschlafen. Ich ließ die Jalousien herunter, um das Zimmer zu verdunkeln, und ließ sie da zurück.
    Ich wollte die Straße entlanggehen, bis ich ein vorbeifahrendes Taxi fand, aber nach zwei Häuserblocks beschloss ich, den ganzen Weg zu Fuß zurückzulegen. Meine Wangen fühlten sich wie Reibeisen an, und meine Augen waren sandig. Es gibt ein seltsames Gefühl, das manche als postkoitale Niedergeschlagenheit bezeichnen. Ich fühlte mich schlaff, als ob meine Muskeln nicht mehr an den Knochen befestigt wären und die Knochen selbst schwer wie Blei. Dieser Hunger und dieses gegenseitige Verzerren schien Teil eines Verrats zu sein. Verrat an einem blinden Bruder und an einem

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