Alptraum-Sommer
fragte: »Bist du nicht die Prinzessin?«
Damit hatte er wohl die Spinne gemeint, aber Suko konnte damit nichts anfangen. Er hatte verloren, und kleine, gierige Mordteufel warteten darauf, ihn zu töten.
Er dachte an die drei verschwundenen Männer. Jetzt konnte er sich vorstellen, wie sie ums Leben gekommen waren. Wahrscheinlich würde man von ihm auch nichts mehr finden. Die schnellen Bewegungen der Mäuler in den Alraunengestalten ließen darauf schließen, daß diese Erdmännchen verdammt hungrig waren.
Sie kamen näher.
Sie turnten geschickt über die Fäden hinweg, und seltsamerweise klebten sie daran nicht fest.
Suko versuchte es noch einmal. Er gehörte nicht gerade zu den schwachen Menschen. Er drückte seinen Körper hoch, aber es blieb bei einem eher lächerlichen Versuch, denn sehr schnell prallte er wieder zurück und blieb auf dem weichen Boden liegen, umgeben vom Geruch des Grases und einiger fremder Blüten.
Da war nichts zu machen…
Dafür kam die Alraunen näher.
Von verschiedenen Seiten turnten und balancierten sie auf den gefangenen Inspektor zu.
Und alle waren hungrig…
***
Der Schatten war über den Jungen gefallen, als wäre die Sonne urplötzlich hinter einer Wolke verschwunden. Er hörte sich selbst aufatmen, er spürte die Kühle und richtete seinen Blick so in die Höhe, daß er den Kopf der Spinne sehen konnte.
Das Monstrum war sehr groß. Es überragte sogar noch den Busch, auf dessen Plattform Kelly lag. Er sah das Gesicht und wollte wissen, ob sie die Prinzessin war.
Das Monstrum antwortete nicht. Statt dessen zog es sich zurück, als hätte die Frage es erschreckt.
Der Schatten verschwand.
Sonnenlicht verwandelte diesen Tag wieder in einen Alptraum-Sommer und brannte auf die Haut des halbnackten Jungen. Da war jemand gekommen, das wußte er auch. Er hatte erst fragen wollen, es dann gelassen und schließlich die Bewegungen an der Außenseite des Busches gespürt, doch erschienen war niemand.
Wenig später war dieses Zischen erklungen. Auch der Busch hatte die Erschütterungen mitbekommen, für den Jungen blieben die Rätsel weiterhin bestehen.
Wie sollte es weitergehen?
Er holte sich seine Wunschträume zurück. Kelly schaute gegen die Sonne, die für ihn plötzlich zu einer Bühne wurde, auf der er eine feine Gestalt mit schwarzen Haaren sah, mit einer Kette aus Glocken um den Hals.
Seine Prinzessin…
Plötzlich lächelte er und bewegte sich zum erstenmal stärker. Das andere hatte er vergessen, er richtete sich auf, um gegen die Sonne schauen zu können, wo sie wartete.
Mit einer matten Bewegung hob er den rechten Arm, und ebenso matt winkte er ihr zu.
Doch sie verschwand.
Die Strahlen der Sonne lösten sie auf, dampften sie einfach weg, und das Trugbild blieb nur mehr in der Erinnerung des Jungen zurück. Er senkte den Kopf, schaute sich dabei in seiner Umgebung um und kam sich vor wie ein Vogel im Nest. Mit der Handfläche strich er über die warme Unterlage, die weich und trotzdem fest war, so daß er nie in Gefahr lief, durch- oder einzusacken.
Nein, das war sie nicht gewesen. Er hatte umsonst gewartet. Es gab die Prinzessin hier nicht. Sie hatte ihr Versprechen nicht gehalten, und seine Erinnerungen glitten zurück.
Sie durchbrachen einen Nebel, der zwei Welten voneinander trennte. Er sah sich wieder in einem Wald, aber er fühlte, daß ihn nicht die menschliche Gestalt umgab.
Sein Körper bestand aus etwas anderem, für das er keinen richtigen Namen hatte.
Er war so knorrig, so hart, gleichzeitig aber weich und trotzdem beweglich.
Helle Schatten glitten an ihm vorbei.
Er hörte das Klingen von Glocken. Seine Nase nahm den Duft blühender Sommerblumen war.
Er schaute in die Höhe und kam sich so klein vor. Dieser wunderbare Himmel war unendlich weit entfernt. Dann gerieten Schatten in sein Blickfeld, und ein Gesicht schaute auf ihn herab.
Es war feingeschnitten, von dunklen Haaren umrahmt, hatte eine sehr helle Haut und unergründliche Augen. Es trug ein Kleid aus Nebelstreifen, und die Glocken der Kette klingelten bei jeder Bewegung.
Ja, das war seine Prinzessin. So kannte und so liebte er sie, und er hörte sie sogar sprechen.
Ihre Stimme klang wie das feine Streicheln des Windes, als sie sagte:
»Schaut ihn euch an, ist er nicht wunderbar? Er ist Mandragoros Geheimnis, er ist die Wurzel, die lebt. Er ist der lebendige Beweis für manche Sage, die es auf der menschlichen Welt gibt.«
»Willst du ihn nehmen?«
Kelly wußte nicht, woher die
Weitere Kostenlose Bücher