Alptraumland
Zeitschriften, in denen Mr. Lovecraft publiziert, Sir.
THORNHILL: Kennen Sie auch das Werk Mr. Roderick Ashtons, Mr. Morgan?
MORGAN: Nicht bewußt, Sir.
THORNHILL: Nicht bewußt?
MORGAN: Wie ich der Aussage Mr. Lovecrafts entnehme, Sir, hat Mr. Ashton unter Pseudonymen geschrieben, und weil ich seine Pseudonyme nicht kenne, besteht die Möglichkeit, daß ich seine Erzählungen gelesen habe, ohne zu wissen, daß sie aus seiner Feder stammen.
THORNHILL: Ich verstehe. Mr. Morgan, wie wir aus Mr. Ashtons Aufzeichnungen wissen, hat er sich am vierundzwanzigsten September in ihrem Geschäft in Glasgow aufgehalten. Erinnern Sie sich an ihn?
MORGAN: Ja, Sir.
THORNHILL: Welchen Eindruck hatten Sie von ihm, Mr. Morgan?
MORGAN: Den eines Gehetzten, Sir.
THORNHILL: Eines Gehetzten?
MORGAN: Ja, Sir.
THORNHILL: Könnten Sie uns das bitte etwas deutlicher darlegen, Mr. Morgan?
MORGAN: Nun, Sir, ich bin kein Psychologe, aber … Mr. Ashton war sehr erregt. Sein Betragen, falls man es überhaupt so nennen kann, war nicht das eines Gentleman. Er war … Wie soll ich sagen … Ungewöhnlich ruppig war er in seinem Verhalten, er erweckte den Eindruck, unter starkem seelischen Druck zu stehen.
THORNHILL: Mr. Morgan, sind Sie der Verfasser eines Büchleins mit dem Titel Träume und ihre tiefere Bedeutung. Ein Exkurs in den Inneren Kosmos?
MORGAN: Ja, Sir.
THORNHILL: Würden Sie dem Ausschuß bitte etwas über den Inhalt dieser Ihrer Veröffentlichung sagen?
MORGAN: Nein, Sir.
THORNHILL: Gibt es dafür einen besonderen Grund, Mr. Morgan?
MORGAN: Ja, Sir. Einerseits bin ich davon überzeugt, daß der Ausschuß den Inhalt meines Buches längst kennt, was eine Zusammenfassung von meiner Seite zu einem überflüssigen Unterfangen machen würde, und andererseits bin ich es leid, von der Öffentlichkeit und den Ausschüssen dieser Erde verlacht zu werden.
THORNHILL: Ich will nicht unhöflich sein, Mr. Morgan, aber falls Sie davon ausgehen, daß dieser Ausschuß nichts wichtigeres zu tun hat, als esoterische Theorien anzugreifen, sind Sie, um es leger auszudrücken, schief gewickelt.
MORGAN: Das mag alles sein, Sir, aber ich verspüre nicht die geringste Lust, einer Ansammlung von Ignoranten meine Theorien darzulegen.
Ich bin hier als Zeuge in einer Sache geladen, die Mr. Roderick Ashton betrifft – nicht als Esoteriker, dessen Ansichten eine Gruppe von Staatsbeamten ohnehin nicht bewerten kann. Was ihr im übrigen auch gar nicht zusteht.
THORNHILL: Nun, Sir, wenn Sie sich weigern, meiner Bitte zu entsprechen – was übrigens Ihr gutes Recht ist –, bleibt mir keine andere Wahl, als den Inhalt Ihrer Veröffentlichung selbst zu repetieren. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.
MORGAN: Wie sollte ich etwas dagegen haben?
THORNHILL: Nun, Sir, jetzt, wo ich Ihre Einstellung kenne und mir klar ist, daß Sie sich besser in juristischen Fragen auskennen als ich in esoterischen, frage ich mich, ob Sie bei der Krone eventuell Urheberrechte geltend machen, wenn ein Beamter Seiner Majestät etwas zitiert, das Ihrer Feder entsprungen ist.
MORGAN: Dazu besteht nicht die geringste Veranlassung, Superintendent.
THORNHILL: Vielen Dank. Das ist sehr beruhigend. Ich wüßte es darüber hinaus sehr zu schätzen, wenn Sie mich korrigieren, falls ich Ihre Intentionen falsch interpretiere, Mr. Morgan.
MORGAN: Ich denke gar nicht daran.
AUS DEM TAGEBUCH DES RODERICK ASHTON
In der Nacht nach Howards Anreise schlurfte ich schlaf- und ruhelos in meiner Bibliothek auf und ab, als wäre ich selbst das Hausgespenst, schenkte all den alten Schwarten und Folianten jedoch höchstens beiläufige Beachtung. Was sollte ich tun? Mich doch Dr. Redgrave anvertrauen? Er hatte einen guten, ernsthaft bemühten Eindruck auf mich gemacht. Aber konnte er mir auch helfen? Mußte ich ihm nicht alles – restlos alles – anvertrauen, wenn er mir wirklich helfen sollte? Dann mußte ich ihm auch vom Janet erzählen.
Von dem Album mit den Zeitungsausschnitten, von meinen Vermutungen in Sachen Onkel Stephen.
Es war unmöglich! Wenn ich es tat, was kam dann alles auf mich zu? Mußte ich ihm eine genaue Beschreibung meiner Trauminhalte liefern? Zeichnungen der schrecklichen Wesen anfertigen, die durch die Windungen meines Geistes krochen? Welche Rückschlüsse würde er ziehen, wenn er erkannte, daß ich im Traum die Rolle des Voyeurs einnahm, die Rolle eines Kranken, der sich an den Qualen der Opfer unbeschreiblicher Riten weidete?
Nein, o nein! Ich
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