Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)
wirst, Olgamäuselchen!«
»Wie - wie meinste denn dat?«, fragte Olga. Ihr Gesicht wurde noch grauer.
»Wie ich dat sage«, erklärte Frieda.
»Heh, Zunder!«, schrie eine der Dirnen aus den vorderen Häusern. »Wenn die aufmachen, gehen wir nach die hin. Dann kannste deinen Puff inne Luft schießen lassen, du fette Ratte, wat du bist!«
»Gemein sind die – hundsgemein!«, heulte Olga los. »Zu jedem war ich gut, und nun laufen sie mir alle weg, die Mistweiber. Verdorri auch. Aber da mach ich wat los. Die zeig ich dat. Kommt nur raus, ihr alten Nölen, dann gibt dat von Olga auffe Glocke ...«
Ihre Stimme erstarb. Die Arme sanken herab.
»Also, Frieda, ich ...«
Frieda Paluschke war schon am Ende der Straße. Und die Sonne, die sie morgens immer so böse angegrinst hatte, ließ nun den Nerzmantel schimmern und schillern.
*
Elli Gassler machte es sich schön. Nun lebte sie fast das Leben, von dem sie immer geträumt hatte. Nun, reich war sie nicht. Aber dafür ziemlich sorglos. Sie musste nicht mehr darüber nachdenken, wo sie die nächste Nacht verbringen konnte. Dieses erbärmliche Magenknurren, das sie oft bis in den Schlaf hinein verfolgt hatte, war nun auch vorbei.
Die Frau ging in den Fußgängerzonen der Stadt spazieren und besah sich die Auslagen in den feinen Geschäften. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte sie als Bettlerin hier gesessen. Manchmal hatte man sie hier verjagt. Doch das war vorbei. Hoffentlich war es für immer vorbei ...
Und dann plötzlich wurde Elli mit ihrer alten Welt konfrontiert. Vor einem Imbissgeschäft saß ein Mann auf einer alten Decke. Er trug einen speckigen Hut, den er hin und wieder abnahm und ihn den Vorübergehenden hinhielt.
»Ach Gottchen!«, entfuhr es Elli bei diesem Anblick. »Der Kalle!«
Das Gesicht des Alten ruckte hoch. Erstaunen breitete sich nun darin aus.
»Mensch - Elli, bist du dat wirklich?«, fragte er ungläubig. »Ich meine, vonne Stimme her musst du dat wohl sein.«
»Ja«, sagte Elli, und sie vergaß, dass sie einen Pelzmantel trug. »Mir geht es gut, Kalle. So gut, dass ich die ganze Welt umarmen könnte. Komm, wir gehen nach dem Kiosk hin. Ich erzähl dir alles. Augen wirste machen, Kalle, Augen, sag ich dir ...«
Im Kiosk kannte man sie beide. Dort hatten sie ja oft genug das Erbettelte zusammen vertrunken und waren oft dreimal hintereinander auf die Straße gegangen. Es war solidarisch geteilt worden. Sie hatten sogar die Not miteinander geteilt.
»Dat ist ja ... also, ich kann dat gar nicht glauben«, staunte Kalle, der alte Pennbruder mit dem lahmen Bein. »Nein, so einfach hat sie gewonnen, die Paluschke-Frieda. Und gleich so viel Geld auf einen Haufen. Also nee, da ist Frieda ja nun eine gemachte Frau.«
»Das ist sie wohl«, gab Elli zu und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. »Sie war so gut zu mir, obwohl ...«
»Wat haste denn?«
»Ach, ich weiß gar nicht, ob ich mich so richtig an das feine Leben gewöhnen kann«, begann Elli Gassler zu klagen. »Man kennt ja keinen und läuft so durch die Gegend. Zu denen gehörste nicht und zu denen auch nicht. Dann kommste dir vor wie ein Schiff ohne Hafen oder wie ein Hund ohne Hütte oder so ähnlich. Ja, ich hab nen Pelzmantel und auch ein bisschen Geld inne Tasche. Aber so kann ich doch nicht in den Bahnhof rein, euch allen begrüßen oder mal einladen. Und da, wo sie mich reinlassen, na, da lassense euch halt nicht rein. Wenn ich mir dat so überlege, so ganz glücklich bin ich nicht mit dieses Leben, Kalle!«
Der Runzlige rieb seinen Stoppelbart und betrachtete Elli. Er kannte sie schon lange. Damals, als er sie kennengelernt hatte, war Elli noch als Prostituierte gegangen. Und er hatte einmal mit ihr geschlafen für eine Flasche billigen Rotwein. Sie wussten es wohl beide noch, schämten sich und schwiegen über dieses Thema.
»Dann zieh ihn aus, dein Nerz«, riet Kalle. »Schaff ihn beis Leihhaus. Da kriegste ordentlich wat für, und dat tun wir dann bei die »Klimperkiste« verfeiern!«
Sie sah ihn ein wenig entgeistert an.
»Nee«, sagte sie mit einem energischen Kopfschütteln. »Nee, Kalle, dat ist auch nix. Dat kann ich Frieda Paluschke nicht antun, wo sie mir sogar die Wohnung gemietet hat. Aber dat sie mir verboten hat, einen von euch mit hochzunehmen, dat find ich fies. Aber wat soll ich machen?«
Sie hob die mageren Schultern, seufzte und prostete ihm zu.
»Die haben einen guten Kräutergeist hier im Kiosk«, erinnerte er nun und beleckte sich die
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