Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)
heran?«
»Ach Gottchen, wenn ich das nur wüsste«, murmelte Kalle. »Ich habe keine Adresse von ihr. Und wo sie sich so vergnügt, dat weiß ich halt auch nicht. Aber ...«
»... aber wat?« wollte Fuselfranze mit faltiger Stirn wissen.
»Die Frieda hat dat Konto bei die Bank im Bahnhof. Und da muss sie ja wohl mal hin, oder nicht. Vielleicht könntest du sie dort dann mal abpassen?«
Franz Schulze wiegte überlegend den Kopf.
»Ist zwar nicht mein Stil, die Weibers so auf der Straße anzureden«, meinte er. »Aber es wäre immerhin eine Möglichkeit. So in einem netten Lokal bei schöner Musik und einem Gläschen Wein, da geht dat immer besser. Aber auf der Straße ...? Ich weiß nicht so recht.«
»Du«, vermeldete Kalle nun. »Die Frieda war mal 'ne Nutte. Ich glaube nicht, dat die sich so leicht von einem Kerl wat vormachen lässt. Ja, und dann noch dazu, wie du aussiehst, wo sie doch jetzt eine feine Dame geworden ist. Nee, du das schmink dir mal ganz schnell wieder ab!«
Franz Schulze, alias Fuselfranze, grinste in sich hinein. Seine kleinen, wasserhellen Augen begannen mit listiger Verschlagenheit zu zwinkern und zu blinzeln.
»Ja, wat denkst du dir denn?«, meinte er dann großspurig. »In diesem Aufzug würde ich mir keiner Dame nähern. Für wie doof hältste mich eigentlich. Also, auf der Bank da drüben, haste gesagt?«
»Mhm«, machte Kalle skeptisch. »Und wieviel meinste, fällt wohl für mich ab von der ganzen Schohre?«
»Dat kommt darauf an, wat ich aus ihr rausziehen kann«, meinte Fuselfranze ausweichend. »Im Vorhinein kann ich dat nicht so genau sagen. Ich werd dat schon machen. Aber du hältst dich da zurück, haste verstanden? Nicht, dat du mir da einmal in die Quere kommst und mir die ganze Tour vermasselst, hörste!«
»Bin doch nicht dusselig«, sagte Kalle und begann in seiner Ecke hinter dem Fahrscheinautomaten von einem besseren Leben zu träumen.
In dem Haus, in dem Frieda nun wohnte, wurde sie von keinen Nachbarn gefragt oder irgendwie belästigt. Hier war sie halt jemand. Von jedermann höflich gegrüßt und respektiert, genoss sie ein völlig anderes Daseinsgefühl. Ja, man konnte sagen, dass sie auflebte. Den Unterschied zwischen billig und teuer oder gut und schlecht hatte sie bei ihren Einkäufen rasch herausgefunden.
Und nun entdeckte Frieda etwas Neues an sich. Sie begann in gewisser
Hinsicht eine Art von Geiz zu entwickeln. Sie selbst betrachtete es als Sparsamkeit. Aber es fiel ihr gar nicht auf, dass sie um Cente feilschte, wie ein Eurotweib in der Altstadt. Diese Siege stärkten sie, obwohl sie die erfeilschten Cente an der anderen Ecke wieder unachtsam ausgab. Nein, sie sparte nicht ...
Es war wohl eine Eigenschaft des ungekannten Tieres, das jahrelang in ihr unterdrückt geschlummert hatte und unbemerkt gewuchert war. Dieses unbekannte Wesen drängte nach Freiheit ...
Frieda Paluschke ahnte nichts von dem Verhängnis, das bereits hinter ihrem Rücken lauerte. An jenem Donnerstagmorgen ging sie zielstrebig zur Bank. Dort war sie eine gern gesehene Kundin, denn man hatte ihr ein paar hauseigene Anlageformen empfohlen, und Frieda war darauf eingegangen. Um des Geldes willen wurde die Lottomillionärin höflich und nett behandelt. Frieda wusste es, und sie kostete das aus.
Das »Verhängnis« trug einen eleganten grauen Nadelstreifenanzug, einen dazu passenden Hut, hochglanzpolierte Schuhe und eine sehr schicke Krawatte. Nicht nur im Heiratsschwindel, sondern auch in der grundsätzlichen Organisation war Franz Schulze so etwas wie ein Multitalent.
Anzug, Hut und Krawatte stammten aus einem Kaufhaus. Dort hatte sich Franz eingekleidet und darauf geachtet, dass die guten Stücke keine Sicherheitsetiketten besaßen. Kopfschüttelnd hatte eine Verkäuferin später die dreckigen, übelriechenden Klamotten aus der Umkleidekabine weggeräumt. Und eine andere fand unter dem Schuhregal uralte, ausgelatschte Schlappen, während eine dritte Verkäuferin löchrige Uraltsocken aus dem Wühltisch zutage förderte.
In der Parfümerieabteilung kam Franz ein hervorragendes Rasierwasser in die Quere. Die Sache mit dem Binder war ganz leicht, denn niemand guckte und Spiegel gab es nur einen zum Umbinden. Mit der nötigen Unterwäsche hatte sich Franz sinnigerweise bereits versorgt, bevor er in die Umkleidekabine gegangen war. Ja, und für diese »Kleinigkeiten« war ihm von einer reizenden Verkäuferin sogar eine nagelneue Plastiktüte überreicht worden und seine alte,
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