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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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reingekommen. Die machen doch, was sie wollen“, bestätigte Sebastian. „Und beschweren kannst du dich nirgends, nur in ihr Horn tuten, das darfst du, dann können die auch gnädig sein, wenn’s ihnen gefällt.“
    Totila nickte.
    „Und wenn du denen nicht glauben willst“ sagte Sebastian wieder, „wirst du sehr schnell zum Staatsfeind. Besser also, du hältst die Klappe und schluckst alles. Und deshalb wehren wir uns eben auf unsere Art.“
    Totila sah Hans-Peter an. Der saß schweigend da und betrachtete die Muster des Tischtuchs.
    „Du bist der einzige hier, der keinen Ärger hat“, sagte Totila.
    „Muß man das denn? Ich krieg’ doch eure Probleme mit. Und außerdem, persönliche Querelen, auch wenn sie noch so politisch sind, darum geht’s uns doch gar nicht, oder?“
    „Natürlich nicht, aber du hast gut reden“, sagte Sebastian.
    „Das stimmt“, bestätigte Totila. „Bei dir ist ja alles Paletti, Vater Arbeiter, alter Kommunist, wie du ja selber sagst, bei Hitler unauffällig, Scharfschütze in der Wehrmacht mit EK 1 und heute in der SED mit gehobener Anstellung als Fahrdienstleiter. Du bist in der Schule ungefährdet“, folgerte er grinsend, „du kommst schließlich aus dem richtigen Stall.“ Dazu hob er die Schultern und schob die zusammengelegten Hände zwischen die Knie, die zu Beinen gehörten, die in Bluejeans steckten und in beigefarbenen Schuhen endeten, die daumendicke gelbliche Kreppsohlen zierten.
    „Solche Schuhe da“, sagte Hans-Peter unvermittelt und wies mit der Hand auf die Kreppschuhe, „hat aus meiner Klasse einer bei sich zu Hause verbrannt.“
    „Ein Irrer“, sagte Totila, lehnte sich zurück, besah sich seine Schuhe und stellte die Füße schließlich unter den Stuhl.
    „Gibt’s denn sowas bei uns vielleicht zu kaufen, in der HO oder so?“
    Totila lachte nur.
    „Na bitte!“ Hans-Peter wies auf Totilas Schuhe: „Symbole des Kapitalismus“, sagte er. „So hat’s wenigstens der aus meiner Klasse gesehen.“
    „In meiner Klasse war ich nicht der einzige, der Kreppschuhe hatte“, entgegnete Totila, „aber ich hab’ dort niemand gekannt, der sie verbrannt hätte, weil sie aus dem Westen waren. Dabei gab’s auch bei uns einige Superüberzeugte, das heißt, die gibt’s natürlich immer noch, nur mich gibt’s da nicht mehr“, fügte er schmunzelnd hinzu. „Aber ich wäre an Stelle der Eltern des Bescheuerten, der seine Schuhe verbrennt, nur weil sie aus dem Westen sind, schon besorgt.“ Dazu fuhr er mit der Hand demonstrativ einige Male vor seinem Gesicht hin und her. „Plemplem“, sagte er.
    „Sein jüngerer Bruder“, bestätigte Hans-Peter, „der hat den ja auch für meschugge erklärt.“ „Was können denn die armen Schuhe dafür, daß man ihnen die Herkunft ansieht“, spottete Sebastian. „Da hat vielleicht ein lieber Onkel im Westen gedacht, er würde seinem Neffen mit so modischen Botten eine Freude machen und dann das. Der wird das hoffentlich nie erfahren, der gute Onkel im Westen. Wie sollte der das verstehen, wenn wir’s schon nicht können.“
    „Das ist zwar doof, aber nicht so schlimm“, schaltete Totila sich ein. „Ich habe da von einer Geschichte in Senftenberg gehört, das ist ein ganz anderes Kaliber, da hat der jüngere seinen älteren Bruder bei der Stasi verpfiffen, das heißt, erstmal bei der Polizei, die das dann an die Stasi weiter gegeben hat. Dabei ging’s um ein Flugblatt aus Westberlin, von dem der jüngere Bruder wußte, daß der ältere es mitgebracht hatte und in der Jackentasche bei sich trug. Der wurde dann von der Arbeitsstelle weggeholt und am Ende fand man drei Flugblätter bei ihm. Acht Jahre Zuchthaus einerseits und andererseits eine offizielle Belobigung vor der FDJ-Gruppe in der Schule für den Jüngeren.“
    „Ein reizendes Kerlchen“, warf Sebastian ein.
    „Von meinem Vater weiß ich sogar von Fällen“, fuhr Totila fort, „da haben Kinder ihre Eltern angezeigt.“
    „Ich dachte, so was hat’s nur in Rußland gegeben“, schaltete Hans-Peter sich ein, „oder bei Hitler.“
    „Leider“, sagte Sebastian, „ist’s aber nicht so. Das gibt’s auch hier. Und das sind ganz sicher nicht unsere Freunde.“
    „Also Feinde?“ fragte Totila.
    „Typisch Popensöhnchen. Wie würdest du denn die nennen, für die du ein geborener Klassenfeind bist? Nicht du hast die, sondern die haben dich doch zum Feind erklärt. Willst du die nun etwa lieben, so ganz urchristlich?“
    „Erzähl’ nicht so’n

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