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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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eben noch was dazu verdienen, wenn sie über die Runden kommen wollen. Da hat’s der Alte doch ganz gut in seiner Bude.“
    Sebastian lachte. „Wie lebt ein französischer Rentner?“ fragte er den Freund.
    Hans-Peter schüttelte den Kopf.
    „Er trinkt Beaujolais“, erklärte Sebastian, „und geht ins Bordell. Und der englische Rentner? Der trinkt Whisky und geht in den Club. Und was macht der DDR-Rentner?“
    „Weiß ich nicht“, sagte Hans-Peter.
    „Na, der nimmt Herztropfen und geht zur Nachtschicht.“
    Hans-Peter grinste. „So ganz falsch ist das nicht“, bestätigte er. „Ich wünschte, ich wär’ ein französischer Rentner.“
    „Ich steh’ mehr auf Whisky“, erklärte Sebastian belustigt. „Denk bloß mal an die Durchschnittslöhne bei uns und dann an die Preise in den HO-Läden. Ist doch sonnenklar, daß Rentner diese Läden kaum von innen sehen. Das Geld reicht mal knapp für Lebensmittel auf Karten“, sagte er, wieder ernst geworden. „Ich sehe das ja bei meiner Oma. Und was eine große Familie kostet, das sehe ich bei uns zu Hause. Aber wenn die sagen wir müßten darben, damit es unseren Kindern und Kindeskindern mal besser geht... Also, was sagst denn du dazu?“ wandte er sich an den schweigend neben ihm fahrenden Freund.
    „Ich lebe heute. Und morgen, das wird sich schon finden, ist mir jetzt aber erstmal wurscht.“
    „Das verstehe ich nicht ganz“, sagte Sebastian. „Ich sehe das nämlich genau umgekehrt. Man kann heute alles verkraften, wenn es morgen eine Zukunft gibt, die man erreichen kann.“
    „Ich meine“, warf Hans-Peter ein, „daß solche Gedanken, ob Sinn oder Unsinn einfach Unsinn sind. Was in Zukunft sein wird, niemand weiß es.“ Und lachend setzte er hinzu: „Auch die Partei, die immer Recht hat, nicht.“
    „Stimmt“, bestätigte Sebastian grinsend diese letzte Bemerkung. „Gerade haben wir ja ein Tausendjähriges Reich überlebt.“
    „Eben. Deswegen halte ich auch von Zukünften nicht allzu viel.“
    „Aber ohne Zukunft“, widersprach Sebastian, „kann ein Mensch doch nicht leben, und das nutzen die aus, indem sie bestimmen was Zukunft ist, auch deine und meine.“
    „Natürlich. Aber diese Zukunft interessiert mich auch nicht. Für mich ist Zukunft meine Zukunft jetzt, auch noch nächsten Monat, nächstes Jahr, vielleicht auch noch übernächstes …“
    Diese Vorstellungen seines Freundes fand Sebastian denn doch etwas merkwürdig. Allerdings wußte er auch, daß er hier auswich und versuchte Hans-Peters Haltung als Lappalie abzutun.

    34.

    Nach der Nebelfahrt zum Flugplatz, wechselten sich schon am nächsten Tag Sonne und Wolken ab, es wehte ein kräftiger Wind. Sebastian war mit den anderen Lehrlingen wieder beim Kiefernsetzlinge ausbringen, auf immer neuen, weiten Reparationskahlschlägen. Teilweise hatten dort Sprengkommandos zuvor die Baumstubben aus dem Boden geholt. Die sandigen Moränenflächen waren dann mit Treckern tief geeggt worden. Diesen Sandboden trocknete der Wind schnell aus, so daß ein stetiger Staubschleier über den Flächen lag. Der feine Sand verklebte die Augenlider, drang in Nase und Ohren und setzte sich im verschwitzten Haar fest, wenn einer die Mütze abnahm, um sich Kühlung zu verschaffen. Auch ins Gewebe der Kleidung drang der helle Staub. Das merkte Sebastian deutlich, wenn er sich zu Hause die Arbeitsklamotten auszog und danach den Sand auf dem dunkelgrünen Linoleumboden seines Zimmers bestaunte.
    „Hast du schon gehört“, fragte Hans-Peter eines Nachmittags vor Sebastians Haus, „Simon Blancert ist tot.“
    „Was! Stasi-Blancert, wie das?“ wollte Sebastian wissen. „Hab’ ich natürlich nicht gehört. Wie denn auch“, sagte er, „woher weißt du das?“
    „Hat mein Vater erzählt. Morgen um vier ist Beerdigung auf Kunzmanns Friedhof.“
    „Sag bloß, der beerdigt den.“
    „Der Pfarrer – nein. Parteibeerdigung, ist doch klar.“
    „Aber was ist denn passiert, was war los?“
    „Mysteriös“, sagte Hans-Peter mit abwägender Handbewegung. „Unfall heißt es, sagt mein Vater. Möglich aber, daß der durch die eigenen Leute umgebracht worden ist. Das wird jedenfalls gemunkelt.“
    „Was du nicht alles hörst ...“
    „Na, durch meinen Alten, der kennt doch da so manche Leute.“
    „Und da redet man jetzt von Unfall?“
    „Ja. Aber das bleibt natürlich zweideutig. Unfall kann schließlich vieles heißen, kann aber auch sein, daß die den beseitigt haben.“
    „Und dann so eine

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