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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Unsinn“, mokierte sich Totila. „Ich meinte nur, Feindschaft gibt’s schon genug, guck dich doch bloß mal um.“
    „Richtig, aber wir sind daran doch nicht schuld.“
    „Hm“, Totila stützte das Kinn in die Hand und die Ellenbogen auf den Tisch. „Tragen wir aber jetzt nicht mit dazu bei, indem wir uns rächen wollen?“
    Sebastian schüttelte den Kopf und zitierte laut: „Mein ist die Rache, spricht der Herr...nein“, sagte er dann, „um persönliche Querelen geht’s eben nicht, das haben wir ja gerade festgestellt. Dann hätte unser von den Werktätigen delegierter Oberschüler“, dazu wies er mit einem Kopfnicken auf Hans-Peter, „gar keinen Grund hier mitzumachen.“
    Der grinste und zog an seiner Zigarette.
    Totila lachte schließlich: „Ihr beide qualmt mir hier die ganze Bude voll, das ist auch undemokratisch.“
    „Wieso? Du bist einer, wir sind zwei, wir haben also recht.“
    „Aber ich wohne hier.“
    Sebastian winkte ab. „Eigentumsansprüche gelten nicht viel im Sozialismus.“
    „Qualm ist Qualm“, entgegnete Totila, lachte und ging das Fenster öffnen. Amselgesang tönte von draußen herein und Zigarettenrauch zog in langen, dünnen, bläulichen Schwaden ab.
    Hans-Peter und Sebastian verabschiedeten sich schließlich. Im Vorgarten des Pfarrhauses blühte weißer und blaßlilafarbener Flieder, dazwischen öffneten sich die Blüten der Rhododendronbüsche. Vom Friedhof her tönte der Schlag der Nachtigall zwischen Amselgesang und Rotkehlchengepiepse. In den großen Gärten vor den Arbeiterwerkshäusern an der Ilsestraße schneiten überall die Blütenblätter von den Obstbäumen. Wie üblich dampfte die Kleinbahnlok mit den Kipploren voller Ton wieder mal bimmelnd quer über die Straße und das klackende Geräusch der Presse aus der Brikettfabrik lag in der kohlenstaubgesättigten Luft. Vor Hans-Peters Haus trennten sich die Freunde. Als Sebastian am Gartentor seines Elternhauses ankam, freute er sich über die Blütenpracht der Rot- und Weißdornbäume. Am Torpfeiler des Ledigenheims sah er dann den Baron, wie stets mit dem Köfferchen in der Hand. Baron von Thorwald ging über den Bürgersteig, wahrscheinlich zum Bahnhof, vermutete Sebastian, verreist der doch öfter mal. Weshalb war so einer überhaupt hier und noch dazu als Ziegeleiarbeiter! Der Baron und dessen fast blinde und gelähmte Schwester, die er regelmäßig im Rollstuhl ausfuhr, warum waren die eigentlich nicht längst im Westen? Von der schweren Arbeit in der Ziegelei kam der jeden Tag in gepflegtem Anzug nach Hause. Sebastian verstand das alles nicht. Der Baron durfte doch sowieso nicht in seinen Heimatort zurück, nicht mal in dessen Nähe, nachdem er zuvor schon ein paar Monate im Gefängnis verbracht hatte. Sein Vergehen: Erbe eines fünfzigtausend Morgen großen Landgutes zu sein. Nur ein feudalistischer Ausbeuter....Sebastian grinste, wandte sich ab und sah vor sich auf die Straße, genau dort, wo das Kleinpflaster vom Asphalt abgelöst wurde. Dort war er als Kind mit geborgten Rollschuhen gelaufen. Selten kam damals ein Auto vorbei, höchstens Pferdegespanne, auch mal ein Brikettlaster, holzgasbetrieben oder eben Russenautos. Man konnte auf dem Asphalt geruhsam mit Gipsstückchen malen, erinnerte Sebastian sich, man konnte kreiseln, mit dem Handwagen herumkarriolen, mit Murmeln spielen … was auch immer. Nur einmal wurde eine alte Frau überfahren, die in einem Eimer auf der Straße Pferdedung für ihren Garten gesammelt hatte. Sebastian schüttelte schließlich den Kopf, fuhr sich mit der Hand durch’s Haar und überquerte schnellen Schritts die Straße.

    36.

    Bei einem Anruf vom Bahnhof Zoo aus wurde den drei Freunden von Hoffmann mitgeteilt, sie möchten ins Restaurant „Drei Bären“ gegenüber der Gedächtniskirche kommen, um dort auf ihn zu warten. Die Gedächtniskirche, eine halb abgeräumte Ruine auf einer weiten, mit Unkraut bewachsenen Fläche, zog die Aufmerksamkeit Totilas auf sich. „Die soll ja wieder aufgebaut werden“, sagte er, „aber raus ist das noch nicht.“
    Sebastian sah zur Ruine hinüber. „Es heißt aber auch, es könnte ein Mahnmal werden“, fuhr Totila fort, und er blickte zur anderen Seite den Kudamm hinunter. „Da seht ihr ja, wie’s hier überall aussieht, oben die meisten Häuser ausgebrannt und unten drin Geschäfte.“
    „Na, manche Häuser sind doch ganz zerstört“, ergänzte Hans-Peter.
    „Richtig, aber das wird man irgendwann wieder aufbauen. Und dann so’n

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