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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Augen führen“, erklärte Hoffmann. „Es kann natürlich jeden erwischen“, wandte er sich an Totila. „Sie würden aussagen, man würde Sie dazu zwingen. Ich hatte es schon Ihren Freunden erklärt, es geht dann darum nur einige Tage durchzuhalten, damit wir hier entsprechend reagieren können. Andererseits“, sagte er, „hat Ihre Jugend auch Vorteile. Man traut Ihnen solche Unternehmungen nicht zu, wenn Sie sich nicht ausgesprochen leichtsinnig anstellen.“
    „Der hält uns für unmündige Knaben“, sagte Hans-Peter. Dazu blickte er etwas vorgebeugt von seinem Sitzplatz zum Abteilfenster hinaus. Die drei Freunde hatten auf der Rückfahrt von Berlin nach Lübbenau im Eilzug ein Abteil für sich allein gefunden. Das Grau des Himmels hatte sich im Laufe des Tages gelichtet und eine blasse Sonne blinzelte durch Hochnebelschleier, hinter denen man einen blauen Schimmer ahnen konnte.
    „Das Wetter wird noch schön“, stellte Sebastian fest und wies mit der Hand auf den milchigen Sonnenfleck im bläulichen Dunst.
    Totila sah schweigend zum Fenster hinaus. Es war die Landschaft östlich Berlins, die er sah: Wasser blitzte auf. Es waren Seen, die dort zwischen Feldern und Wäldern lagen. Der Zug fuhr hin und wieder an Dörfern vorbei, Bahnsteige und niedrige Bahnhofshäuschen huschten vorüber. Ortsnamen prangten daran, die man automatisch las, um sie auch gleich wieder zu vergessen. Totila wandte sich Hans-Peter zu. „Was maulst du rum“, sagte er, „im Westen bist du nicht mündig, wir alle nicht.“
    „Im Westen!“ sagte Hans-Peter, „wir sind hier nicht im Westen.“
    „Ja, leider“, warf Sebastian ein, „lieber wäre ich dort als hier, auch unmündig. Übrigens“, wandte er sich an Totila, „du hast ja nur sehr kurz mit Hoffmann gesprochen …“
    Der grinste.
    Sebastian schüttelte den Kopf. „Ich frage nicht, ich stelle nur fest“, sagte er. „Du mußt ja nicht alles sagen.“
    „Unsinn, da gibt’s nichts zu verschweigen. Ich treff’ mich mit Hoffmann übernächste Woche. Der wollte erstmal nur wissen, wo ich herkomme, was ich so denke … na ja, ich hab’ ihm das mit der Jungen Gemeinde erzählt und der Schule und so … Außerdem fahre ich von Potsdam aus hin.“
    „Stimmt, du verläßt uns ja“, sagte Sebastian. „Nach Westberlin ist’s dann wirklich nur noch ein Katzensprung.“
    Wieder schwiegen alle drei. Draußen verschoben sich ständig die Kulissen der Kiefernwälder. Manchmal huschten auch borkige Kiefernstämme nahe am Fenster vorbei. Dann wieder öffneten sich weite Felder. Inzwischen klarte auch der Himmel auf. Die bereits tiefer stehende Sonne war vom nach Osten fahrenden Zug aus schon nicht mehr zu sehen, warf jedoch Schlagschatten von Bäumen und Sträuchern in die Wiesen und Felder, durch die der Zug fuhr .
    37.

    Als Sebastian am frühen Abend zu Hause eintraf, fand er einen Brief seiner Freundin Christa Richter aus Leipzig vor und der erinnerte ihn daran, daß er die letzte Zeit kaum an sie gedacht und auf ihre Briefe schon länger nicht mehr reagiert hatte. Einiges war aber inzwischen geschehen in seinem Leben. Seine Mutter, die ihm den Brief auf den Tisch in seinem Zimmer gelegt hatte, wußte natürlich von Christa, war diese Bekanntschaft seinerzeit doch mit einem ziemlichen Wirbel verbunden gewesen. Sebastian war von Christas Vorwürfen nicht überrascht. Sie hatte ja recht, er hätte sich längst melden müssen. Sie war jetzt sechzehn geworden – auch ihren Geburtstag hatte er vergessen, wurde ihm plötzlich klar. Ich bin ja manchmal schon ganz schön gereizt, irgendwie nervös, sagte er sich. Seine Mutter fragte zwar nichts, aber möglicherweise ahnte sie etwas. Das spürte er schon, denn politisch war er sich mit ihr ja völlig einig. Eine schwierige Situation, durfte er doch nichts sagen, nichts von dem erzählen, was er tat. Würde sie es akzeptieren? Er wußte es nicht.
    Und Christa wußte erst recht nichts, sie war völlig unpolitisch. Über seine Probleme, über Politik hatte er mit ihr nie zu sprechen versucht. Für sie war die Welt so wie sie eben war. Wie sollte er ihr etwa die verwickelten Umstände und Verhältnisse auch erklären? Da gab’s noch eine ältere Schwester, die Sebastian aber nicht kannte und die mit einem linientreuen Genossen verheiratet war. Dazu dann noch ein Vater im fernen Westen. Sebastian faltete den Brief wieder zusammen, steckte ihn ins Couvert, legte dies auf den Tisch und lehnte sich im Stuhl zurück.
    Er sah zum Fenster

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