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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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vorbei, die lange Treppe hinab, die er schon kannte, durch die Halle auf den engen Hof mit dem großen dunklen Holztor, durch das er damals am ersten Tag hindurchkutschiert worden war. Dort parkte wieder eine „Grüne Minna“, ein Fahrzeug, von dem er früher lediglich in Romanen gelesen hatte. Neben diesem Gefangenentransporter standen noch zwei weitere bewaffnete Uniformierte. Die Fahrt in diesem engen Metallkäfig mit eingebautem Sitz und Luftschlitzen an den Seiten dauerte nur wenige Minuten.

    Als Sebastian vor den Stufen eines historisch aussehenden Gebäudes, an dem er die alte Bezeichnung „Landgericht“ lesen konnte, ausstieg, sah er dort seinen Freund Totila neben einem noch kleineren Typen an der Treppe vor dem Portal stehen. Das wird W.N. sein ging es ihm durch den Kopf. Er durfte Totila nun auch begrüßen, keiner der drei mitgereisten Wachposten hatte dagegen noch etwas einzuwenden.
    Totila stellte seinen Freund und Klassenkameraden vor: „Das ist Wolfgang Nehring aus Berlin“, und Sebastian schüttelte auch ihm als bisher unbekanntem Mitkämpfer freundschaftlich die Hand.
    „Sebastian“, sagte er, „Totila wird sicher von mir erzählt haben.“
    Nehrings tiefe Stimme, die so gar nicht zu dem Kerlchen dort vor ihm passen wollte, erkannte er wieder als diejenige, die in die tiefe Stille dieser dämmerigen Verliese hinein einige Male Totila gerufen hatte.
    „Der hat dich doch immer gerufen“, wandte Sebastian sich an den Freund.
    „Wie hätte ich denn reagieren sollen“, fragte der zurück, „die lauerten doch überall auf den Gängen.“
    Die Posten drängelten: „Die Verhandlung beginnt in fünf Minuten.“
    Und so gingen sie einer hinter dem anderen: vorneweg Sebastian mit seinem für ihn zuständigen Posten im Rücken, dann Totila und zum Schluß Wolfgang Nehring, alle jeweils schwer bewacht und in Handschellen. Durchs Portal und eine Treppe hinauf ging es in den ersten Stock und dort linker Hand einen mäßig breiten, elektrisch beleuchteten Flur entlang, der auffällig von Leuten gesäumt war, viele Frauen darunter, einige mit Tee- oder Kaffeekannen in der Hand, augenscheinlich Gerichtsangestellte, die diesen Aufzug kopfschüttelnd betrachteten.
    Dann hörten die anrückenden Delinquenten eine Lautsprecherstimme, die eine Saalnummer ausrief und den „Strafprozeß Sebaldt und andere“ verkündete. Er als Hauptangeklagter? fragte Sebastian sich. Dann betraten sie den großen Saal. Sebastians Bewacher wies sie gleich rechts in die Anklagebank, eine einfache, harte, hölzerne Bank. Dort wurden ihnen die Handschellen abgenommen.

    „Siehst du hier Sasse?“ wandte Sebastian sich an Totila.
    „Nee.“
    „Na bitte, ich habs doch gesagt, der wird nicht verurteilt.“
    „Sasse sehe ich zwar nicht“, sagte Totila, „aber unsere Eltern sind hier … deine Mutter, mein Vater, auch deine Schwester da ganz hinten“, sagte er, „zwischen den vielen neugierigen Leuten.“
    „Ja, ich sehe“, bestätigte Sebastian.
    „Du hast Recht und dein Vater sitzt auch dahinten“, wandte Totila sich zur anderen Seite seinem Freund Nehring zu.
    „An deinen Vater haben die sich nicht rangetraut“, flüsterte Sebastian „Totila zu, „trotz der Aussagen Sasses, die deinen Vater schwerstens belastet haben.“
    Schließlich rückten ornatgeschmückte Kirchenleute in die erste Reihe und ließen sich dort nieder, einer davon mit einem großen silbernen Kreuz an einer breiten Kette vor der Brust.
    „Bischof Scharf“, sagte Totila, „Generalsuperintendent der Evangelischen Kirche Deutschlands.“
    „Der mit dem Kreuz?“
    Totila nickte.
    „Kennst du den?“
    „Ich nicht, aber mein Vater.“
    „Mein Vernehmer, dieser Hauptmann mit den flinken dunklen Augen, die immer hin- und herhuschten, wenn er Zeile für Zeile schrieb“, sagte Sebastian, „hatte mir sowas schon angedeutet.“
    „Den kenne ich, das war auch meiner, wenigstens meistens“, fügte Totila hinzu.
    Durch den Saal wogte ein Raunen, erzeugt von den Stimmen vieler Menschen, die links von ihnen fast den halben Raum füllten.
    „Was meinst du, was die alle hier wollen“, fragte Totila. „Sind viele Ältere dabei“, sagte er dann.
    „Nein“, widersprach Sebastian, „auch viele Jüngere, das siehst du doch.“
    „Vielleicht wurden die herdelegiert“, sagte Totila, „also von ihren Betrieben, um den großen Saal hier zu füllen. Vielleicht aber auch zur Abschreckung.“
    „Was meinst du denn, was die uns überbraten werden“,

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