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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Haß zu spüren. Bei dem Älteren mußte er die Hände nicht auf den Rücken nehmen, auch mußte er nicht mit dem Gesicht zur Wand stehen, wenn der die Stationsgittertüren auf- und wieder abschloß.
    So führte der ihn auch diesmal über Gänge und durch Türen, deshalb war Sebastian auch nicht gar so überrascht, als der Schließer ihn ansprach: „Das wird alles nicht so schlimm“, sagte er plötzlich hinter ihm. „Sie stehen das durch. Bleiben Sie bei Ihrer Haltung …“
    „Zehn, fünfzehn Jahre könnten das aber werden“, entgegnete Sebastian.
    „Klingt schlimm“, hörte er wieder die Stimme des Älteren hinter sich, „aber nichts wird so heiß gegessen, wie’s gekocht wird, das kennen Sie doch.“
    Die Anerkennung und auch ein bißchen Trost, die in den wenigen Sätzen lagen, überraschten Sebastian. Das war ja fast schon ein heimlicher Gesinnungsgenosse, der da hinter ihm ging. Wie ist der hierher gekommen? Es war dies natürlich nur eine kurze Begegnung, aber jetzt wußte er, auch hier stand jemand auf seiner Seite oder doch menschlich hinter ihm. Bleiben Sie bei Ihrer Haltung… Diese heimliche Solidarität eines Menschen, der in der Enge dieser Isolation eigentlich sein Feind sein sollte, stützte ihn.
    Keine Angst zeigen, das erwartete der von ihm, dieser Mensch in Gestalt eines Stasischließers. Und so betrat er, seelisch gestärkt, das Vernehmerzimmer.
    Der ältere Schließer, der ihn nun dort ablieferte, machte seine Meldung nicht so zackig wie mancher der jungen, mit Hacken zusammenschlagen und markiger Stimme.
    Danach wies der Hauptmann dem Häftling Nummer 268 mit leichter Kopfbewegung seinen Platz in der gewohnten Ecke an, blätterte in einigen Papieren auf dem Schreibtisch, schob sie beiseite und sah Sebastian auf seinem Hocker eine Zeitlang schweigend an. „Ich teile Ihnen hier jetzt mit“, sagte er dann, „daß wir Ihre Vernehmung abgeschlossen haben. Wir wissen natürlich auch“, fuhr er fort, „daß nicht alles aufgeklärt wurde, so daß wir dem Gericht nicht sagen können, daß Sie Ihre Taten bereut und die Aussagen freiwillig nach bestem Wissen gemacht haben. Von sich aus haben Sie nichts ausgesagt und nur zugegeben, was nicht mehr zu bestreiten war. Das Gericht wird das mit Sicherheit zur Kenntnis nehmen und zu bewerten wissen.“ Dann lehnte der Hauptmann sich zurück: „Sagen Sie mal“, fragte er, „was denken Sie eigentlich, wie hoch Sie verurteilt werden?“
    „So hoch, wie Sie es festgelegt haben“, entgegnete Sebastian.
    Der Hauptmann grinste: „Wir bestimmen das nicht.“
    „Nicht allein“, sagte Sebastian, „aber sicher entscheidend mit.“
    „Nun ja“, erwiderte der Hauptmann gewunden und wiegte dazu bedächtig den Kopf, „etwas mitzureden haben wir ja schon, das hatte ich Ihnen auch gesagt. Also, wie denken Sie nun über Ihre Verurteilung?“
    „Weshalb wollen Sie das wissen?“
    „Nun, wir haben uns hier lange mit Ihnen herumgeschlagen und Sie waren widerspenstig wie selten einer.“
    „Das war doch mein Recht.“
    „Wir sehen das anders.“
    „Sie mußten mir doch meine Schuld beweisen, nicht ich meine Unschuld.“ Das sagte Sebastian, obwohl er in seinem Tun keine Schuld erkennen konnte, eher das Gegenteil, aber das sagte er nicht laut.
    „Ja, das gilt in der reaktionären bürgerlichen Klassenjustiz, aber nicht in unserem Arbeiter- und Bauernstaat. Bei Kriegsverbrechen, Spionage, Staatsverleumdung und Volksverhetzung, setzen wir unser Recht“, dann schüttelte der Hauptmann den Kopf. „Nee, nee,“ betonte er, „Sie haben gelogen, daß sich die Balken gebogen haben und behaupten nun, das sei Ihr Recht. Übrigens, nach Kontrollratsdirektive 38 werden Ihnen bei der Verurteilung alle bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt.“
    „Aber nicht vor der Verurteilung.“
    „Das macht in Ihrem Falle keinen Unterschied.“
    „Woher wissen Sie denn, daß ich nach Kontrollratsgesetzen verurteilt werde?“
    Der Hauptmann lächelte genüßlich, schien es Sebastian. „In Fällen wie dem Ihren“, erklärte er, „bei einer Verurteilung nach Artikel VI der Verfassung der DDR ist die Kontrollratsdirektive automatisch mit von der Partie.“
    „Wieso automatisch?“
    „Ja, ja, ganz einfach, danach sind Sie ein Kriegsverbrecher. Das ist nämlich ein alliiertes Gesetz. Wie Sie sehen“, fuhr der Hauptmann nun weiterhin lächelnd fort, „verurteilen auch Ihre imperialistischen Freunde Sie, das sollte Ihnen zu denken geben.“
    „Sie haben das Urteil sicher schon

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