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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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konnten sie schon nach wenigen Metern nichts mehr davon erkennen.
    „Hoffentlich finden wir die später wieder“, sagte das Mädchen.
    „Doch, doch, ich kenne mich hier aus“, beruhigte Sebastian, „wir finden die Stelle wieder.“
    Sie gingen durch einen Wald lichtgrüner junger Birken. „Die Bäumchen hier, die Birken, sind über fünfzehn Jahre alt und wachsen nur langsam in diesem Sand“, erklärte er. „Die sollen hier Boden bilden.“
    „Du sprichst ja bald wie ein Förster“, sagte Gisela lachend.
    „Ich werde aber nie einer“, erwiderte er.
    „Ich dachte, du willst das.“
    „Ja, wollte ich mal … aber es geht ja hier nicht danach, was einer will. Was willst du denn mal machen“, fragte er.
    „Jetzt nach der Schule in diesem Jahr? Na ja, vielleicht Krankenschwester.“ Sie hob die Schultern, „ich weiß es noch nicht. Vielleicht auch Lehrerin für die Unterklassen. Ich kann es nicht sagen“, sie schüttelte den Kopf, „ich muß sehen, wozu die mich einteilen. Vielleicht auch ganz was anderes. Kommt ja drauf an, also, was die brauchen. Du hast schon recht, es geht hier nicht nach Wünschen, sondern alles nach Plan“, dazu lachte sie.
    „Das mit der Planerei bis ins Kleinste, das geht doch eh’ meistens schief“, erklärte Sebastian mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Die planen ja auch den besseren Menschen, besser als du und ich.“
    „Besser geht doch gar nicht“, sagte sie und beide lachten.
    „Sonst“, ergänzte er, „hat man sowas ja mit Ratten probiert. Aber Hitler wollte auch schon Germanen züchten. Bei Wisenten ist das gelungen, die hat er wieder hingekriegt in der Schorfheide. Und heutzutage, da geht’s wieder mal um einen neuen Menschen. Mich hat man schon abgeschrieben und ausgesondert. Und du?“ fragte er, „vielleicht dein Glück, daß man deine Herkunft nicht kennt.“
    „Ich kenne die schon“, erklärte Gisela, „hab’ sie offiziell nur verschwiegen. Ich war 1945 acht Jahre alt, habe mich einfach dumm gestellt und gesagt, mein Vater war Kraftfahrer beim Roten Kreuz. Ich wüßte es nicht ganz genau, habe ich gesagt, aber er sei häufig mit einem Auto gefahren, auf das ein großes rotes Kreuz gemalt war.“
    Schließlich waren sie auf einem verwachsenen Pfad, auf dem Schattenflecken und Sonnenkringel tanzten, quer durch niedrigen Birkenwald an eine Abrißkante gelangt. Ganz plötzlich weitete sich von dort oben der Ausblick auf einen ausgedehnten dunklen See, dessen Ränder gelb, orange und rot leuchteten und zu dem steil hinab durch abfallenden, in der Sonne glitzernden Sand ausgewaschene Rinnen und Schluchten führten. Ganz weit im Hintergrund stiegen ebenso zerfurchte Sandflächen empor.
    „Je nach Sonnenstand“, sagte Sebastian mit einer umfassenden Handbewegung, „sieht das alles immer ganz anders aus. Und bei schlechtem Wetter, da ist das hier sehr düster, richtig unheimlich, und wenn der Wind dann auf dem See Schaumkronen aufpeitscht, daß es laut grollt, ja richtig brüllt, wenn man da unten steht, dann ist das schon beängstigend. Aber jetzt rauscht er nur rhythmisch, der See – hörst Du’s?“ Dazu hob er die Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger und hielt den Kopf seitwärts lauschend dem See zugewandt.
    „Ja“, sagte sie, „natürlich ist das zu hören.“
    „Gehen wir runter.“ Sebastian wies mit dem Arm nach unten. „Das ist steil, wir müssen quer durch die Schluchten gehen“, erklärte er, „immer quer nach unten“, und er ging voraus.
    Gisela hinter ihm geriet im Sand ins Rutschen, schlenkerte mit angehobenen Armen und suchte das abhanden gekommene Gleichgewicht wiederzufinden. „Ich rutsche!“ rief sie.
    „Die Füße immer quer stellen“, sagte er und fing sie schließlich auf, als sie ins Stolpern geriet und ihm förmlich in die Arme fiel. „Hallo, wer wird denn gleich hinfallen“, sagte er. Besser nicht, sagte er zu sich selbst, als er bemerkte, daß sie sich länger an ihm festhielt als unbedingt nötig gewesen wäre. Ein hübsches Mädel, zweifellos. Aber das hat alles Zeit, viel Zeit. Und Liebe? Ja, Liebe, was ist das... wenn man sie hier im Sand abmachte? Ich möchte das nicht, kein Techtelmechtel, keine Bindung, keine Verantwortung, nichts Intimes... Und er entließ sie aus seiner Umarmung, umfaßte die viel kleinere Gestalt des Mädchens mit beiden Händen, hob sie hoch und stellte sie auf den rutschigen Sandboden. „Halte dich an mir fest, wenn wir weitergehen“, sagte er und hielt ihr eine Hand hin, die sie

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