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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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lang hatten Menschen der Region dort in einer Landschaft gelebt, die es auf einmal nicht mehr gab. Dafür gab es dann ein neues Reppist.

    28.

    Die paar kühlen Regentage, die Sebastian in Altdöbern im Büro verbracht hatte, waren vorüber. Eines Morgens strahlte die Sonne aus einem blauen Himmel, in dem nur wenige weiße Kumuluswolken standen. Sebastian fuhr nach Altdöbern durch eine frisch gewaschene Landschaft. Selbst Straßen und Dächer, sonst von Kohlenstaub beschmiert, wirkten sauber im Sonnenlicht. Reviergesänge der Vögel ertönten aus allen Richtungen. Es war der 3O. April, der nächste Tag Feiertag, der 1. Mai, Freitag und dann dazu auch gleich das Wochenende noch bei hoffentlich weiterhin schönem Wetter. Sebastian freute sich auf den Feierabend an diesem Tag.
    Für den Nachmittag stand noch Einkaufen auf seinem Aufgabenzettel an der Scheibe des Küchenschranks. Diese Touren durch verschiedene Läden erwiesen sich in der Regel als recht aufwendig, ging es zum einen doch um die Versorgung einer immerhin siebenköpfigen Familie. Ein Bündel Taschen und Beutel auf den Gepäckträger des Fahrrads geklemmt, so begann am Nachmittag der Beutezug durch die Geschäfte. Zum anderen mußten viele Läden abgeklappert werden, um das Notwendige überhaupt zusammenzuholen. Alles sei, vor allem in den HO-Läden, wieder teurer geworden, hatte seine Mutter gesagt. Dabei war die Versorgungslage tatsächlich schlecht, wie Sebastian feststellen mußte. Gemüse gab es nicht, nicht mal Wintergemüse – kein Porree, kein Grün-, kein Rotkohl, keine einzige Zwiebel. Lediglich ein paar Weißkohlköpfe und welke Mohrrüben waren neben einigen Kohlrüben zu haben.
    Kartoffeln hatte man seit der Winterzuteilung im Herbst in keinem Geschäft mehr zu sehen bekommen. Wenn sein Vater nicht nebenbei für einige Bauern tätig gewesen wäre, bei deren Neubauten oder Ausbauten ihrer Höfe gegen Kartoffeln, Getreide, Speck und Öl hätten sie neben den kargen Zuteilungen im wesentlichen wohl bald nur noch von Bruchnudeln, Kohl- und Mehlsuppe sowie Steckrüben leben müssen, abgesehen vom Segen des großen Gartens, der sie mit etwas Gemüse und Obst auch für den Winter und aus den Frühbeeten mit frischem Kopfsalat im Frühling versorgte.
    Butter gab es mal wieder nicht in der HO und auf Fettmarken im Konsum sowieso nicht. Beim Fleischer war nur Jagd- und Leberwurst auf Marken zu haben, im Konsum nicht mal das. Zucker war wieder mal nirgends zu bekommen außer in der HO, dort aber zu unerschwinglichen Preisen. Gries stand auf seinem Einkaufszettel. Gries? Kopfschütteln und Schulterzucken der Verkäuferinnen. Dafür bekam er aber Haferflocken gegen Nährmittelabschnitte. Marmeladenabschnitte konnte er ebenfalls loswerden, Einheitsvierfrucht mit einer gehörigen Menge darin verarbeiteter Blätter.
    Drei Vierpfundbrote holte er in einer Mühle, in der auch Brot gebacken wurde, echtes Brot, wie sie es nannten, im Gegensatz zum Konsumbrot, von dem man den Eindruck hatte, daß dort Kartoffeln hineingeknetet worden waren, aber auch viel Wasser und möglicherweise Sägespäne? Zumindest fanden sich solche an der Unterseite der Brotlaibe, wohl, um deren Ankleben im Ofen zu verhindern. Mehl war eben knapp. Jedenfalls ein schwerer, dunkler, klebriger Teig, der immer undurchgebacken wirkte und auch so schmeckte. Damit waren die Brotmarken für den laufenden Monat dann schnell verbraucht. Das Mühlenbrot dagegen erwies sich als heller im Teig, trockener und leichter. Ein solches Vierpfundbrot war dort schlicht größer als das schwere, feuchte Konsumbrot. Derartige Unterscheidungen waren durchaus wesentlich für das Auskommen mit den Monatsrationen. Vor allem war es bekömmlicher. Es gab nämlich eine Menge Leute, die das schwere Brot nicht vertrugen, bei denen der Magen rebellierte. Viele Menschen rösteten sich daher einzelne Scheiben auf der Herdplatte, um den Bekömmlichkeitsgrad dieses klebrigen Backwerks etwas zu heben.
    Wenn man Glück hatte, gab es in einem Konsumladen plötzlich Kopfsalat und die Menschenschlange auf dem Bürgersteig, die anzeigte, daß es etwas besonderes zu kaufen gab, war noch nicht so lang, daß ein Anstellen von vornherein aussichtslos erschien. Sebastian kannte das triumphierende Gefühl gut, wenn einem eine solche Entdeckung rechtzeitig gelang und man die seltene Beute auch wirklich nach Hause schleppen konnte. Schlicht ein Erfolgserlebnis, das einem nicht allzu oft widerfuhr.
    Er kannte auch ein paar private Läden,

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