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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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einige gab es ja noch, in denen er hin und wieder unterm Ladentisch bedient wurde, seien es zwei, drei Stückchen Butter, unauffällig in einer Packpapiertüte, wenn es in der HO keine gab oder ein, zwei Schachteln grellbunter Fondants, nicht ganz billig, aber ohne Zuckermarken. Immer schwelgte er dann im Gefühl, Jagdglück gehabt und Beute gemacht zu haben, in der Vorfreude, diese der Familie präsentieren zu können.
    So fuhr er auch diesmal nach Hause, an der Lenkstange und auf dem Gepäckträger Taschen und Beutel, so daß für seine Knie kaum Platz blieb, wenn er in die Pedalen treten wollte, aber immerhin mit drei Salatköpfen und zwei Stückchen Butter im Gepäck. Dafür hätten viele Leute kilometerweite Fahrten auf sich genommen.

    29.

    Der 1. Mai 1953 war ein warmer, sonniger Frühlingstag, Bienen summten um Blütendolden, Vögel wetteiferten im Reviergesang und Sebastian schwang sich auf sein Fahrrad. Um zehn Uhr sollten sich alle Angestellten des Kreisforstamts, alle Förster und sämtliche Lehrlinge auf dem Altdöberner Markt zum 1. Mai-Umzug mit den Einwohnern einfinden. An diesem Umzug gedachte Sebastian sich in keinem Falle zu beteiligen. Es ging ihm lediglich darum, sich dort ausgiebig sehen zu lassen, um dann möglichst schnell wieder zu verschwinden. Nicht zu erscheinen kam einem Sakrileg gleich und es war besser, damit nicht aufzufallen.
    Nachdem Sebastian im Gedränge auf dem Marktplatz einige Lehrlingskollegen, von denen manche andeuteten, auch bald wieder das Weite suchen zu wollen, Onkel Jaschek und einige Förster sowie den Hauptbuchhalter des Kreisforstamtes demonstrativ begrüßt hatte, verkrümelte er sich in eine Nebenstraße, in der er sein Fahrrad abgestellt hatte und traf dort Gisela, eines der Mädchen, die im Krieg ihre Eltern verloren hatten und jetzt im Altdöberner Schloß untergebracht waren. Er erzählte ihr, er würde bei diesem schönen Wetter jetzt in die Kippen fahren, anstatt dort stumpfsinnig hinter einer Schalmeienkapelle herumzumarschieren. Dazu wies er mit dem Daumen hinter sich Richtung Marktplatz, von dem gedämpftes Stimmengewirr herüberklang.
    Gisela war frühlingsmäßig gekleidet wie die meisten Menschen an diesem Tag, so auch Sebastian in seiner knappen dunkelgrünen Hose, die, aus dem Umschlagstoff eines dicken Folianten gefertigt, ihm noch immer paßte. Ob sie die Kippen denn nicht kenne? Dort sei es bei diesem Wetter, erklärte er und wies mit einer Handbewegung gegen das Grün der Bäume und das Blau des Himmels, wunderschön unten am See.
    „Was sind denn Kippen“, fragte das Mädchen.
    „Na, der Tagebau. Die Kippen eben“, sagte Sebastian, „Sand, viel Sand, schöner heller Sand, Birken, Kiefern und die Grubenteiche … Dort trifft man keine Menschenseele“, sagte er, „niemanden, höchstens ein paar Kaninchen, Wildenten und Ringeltauben, auch mal ein Reh und Füchse und so …“
    Dort sei sie noch nie gewesen, erklärte das Mädchen.
    Sebastian nickte. „Komm doch einfach mit, gleich jetzt. Das wird dir dort bestimmt gefallen. Eine ganz einsame Gegend und auch gar nicht so weit von hier.“
    „Ein Fahrrad habe ich“, sagte Gisela, „ich muß es nur noch holen.“
    Sebastian stieg aufs Rad und fuhr langsam neben ihr her. „Wir fahren hintenrum, nachher auch, damit die uns nicht sehen, wenn wir verschwinden.“
    Im Schloßhof holte Gisela ein altes Damenrad aus dem halbverfallenen Geräteschuppen neben einem Gewächshaus, seitwärts im Gartenteil des Parks. Über Schleichwege aus dem Schloßareal gelang es ihnen schließlich den Marktplatz zu umfahren, ohne gesehen zu werden. Dann ging es aus Altdöbern hinaus, den Berg aus dem Urstromtal hinauf auf der Asphaltchaussee nach Großräschen. Und später, bergab, rollten ihre Räder im Freilauf nebeneinander her. Der Fahrtwind fuhr dem Mädchen ins Haar und bauschte das leichte Sommerkleid.
    „Verdammt schöne Beine“, stellte Sebastian bei sich fest, während sie lachend mit einer Hand das hochgebauschte Kleid zurückzustreifen versuchte.

    Überhaupt eine gute Figur, überlegte er. Ein hübsches Mädchen, ein apartes Gesicht. Er hatte sie ja schon oft in Altdöbern gesehen. Eine der Schönen dort im Schloß... vielleicht nicht die Schönste – oder doch? Sie ist jedenfalls nicht von schlechten Eltern, sagte er sich, um im selben Moment daran zu denken, daß sie ja überhaupt keine Eltern mehr hatte. Die Familie in den Kriegswirren verloren. Kaum auszudenken, daß einem das selbst widerfahren

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