Als der Tag begann
der Typ sogar
die Frechheit besessen, beim Anblick des tadellosen Keyboards nachzufragen, ob Daddy es in jedem Fall selbst behalten wollte. Daddy genoss es, seine Antwort in entrüstetem Ton zu wiederholen: »Träum weiter, Kumpel!«
»Ihr Verlust, unser Gewinn«, lautete sein Kommentar, wenn wir uns über unsere Secondhandspielsachen freuten, die kaum benutzt worden waren, oder wenn er Ma eine Bluse mit einer offenen Naht überreichte, die nur genäht werden musste.
Vor uns auf dem Sofa sitzend, sang er unverständliche Texte zu einem Oldie und kramte in seiner Tasche herum, während wir voller Vorfreude abwarteten. Daddy hatte seine ganz eigene Vorgehensweise, wie er das Öffnen eines Rucksacks oder das Aufklappen eines Brillenetuis erledigte. Wir durften ihn dabei nicht unterbrechen; seine exakten Bewegungsabläufe waren Teil einer Routine, die er nicht gern abänderte. Ließ er einen Schritt aus, wurde er sichtlich nervös und musste wieder von vorn anfangen. Ma bezeichnete seine Angewohnheiten als »zwanghaft«.
Lisa und ich wurden ungeduldig.
»Was hast du gefunden? Sag’s uns! Jetzt sofort!«, forderte Lisa.
»Ja, bitte, Daddy«, sagte ich.
»Eine Minute noch, Leute.«
Er biss sich an einem Reißverschluss fest, der zwar nicht klemmte, aber er hatte eine ganz bestimme Art und Weise, ihn zu öffnen. Dabei summte er in aller Seelenruhe vor sich hin.
»Daaa, da dum, darlin, you’re the one.«
Ma, müde von einem Schläfchen, sah uns an und zuckte mit den Achseln.
Endlich zauberte er einen rosafarbenen Spielzeugföhn für Lisa hervor. Die Ritzen, an denen das Plastik zusammengeschweißt worden war, waren dreckig. Anstelle der Knöpfe befanden sich Aufkleber auf dem Griff, und die Aufschriften folgten einem Farbcode High , Medium und… – die niedrigste Einstellung war abgerissen worden, übrig war nur ein weißer Streifen. Lisa ließ den Föhn in der Luft baumeln und verdrehte die Augen.
»Danke, Daddy«, sagte sie nicht besonders begeistert.
»Dachte ich mir doch, dass er dir gefällt«, lautete sein Kommentar, während er in seiner Tasche nach meinem Mitbringsel suchte.
»Können wir jetzt essen?«, fragte Lisa.
»Noch eine Minute«, erwiderte Ma mit erhobenem Finger.
Als Nächstes hielt Daddy einen weiß-blauen Monsterlaster mit reflektierenden Fenstern und dicken Profilreifen in die Höhe. Der Dreck hatte sich in jeder verfügbaren Ritze niedergelassen und verfärbte die weißen Teile grau, was den Spielzeugtruck richtig straßenerprobt aussehen ließ.
Bevor es überhaupt seine Hände verließ, wusste ich genau, wie ich auf Daddys Geschenk reagieren würde. Fast mein gesamtes Verhalten meinen Eltern gegenüber war gründlich durchdacht, eine sorgfältig überlegte Auswahl an Äußerungen und Reaktionen. Auf diese Art und Weise überließ ich nichts dem Zufall. Stattdessen entwickelte ich ein Geschick darin, genau zu wissen, wie ich ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen konnte. In diesem Fall schenkte mir Daddy etwas, das er für ein »Jungenspielzeug« hielt, und mir war völlig klar, wie ich darauf zu reagieren hatte. Die Jahre, die ich seinen verächtlichen Kommentaren über alles, was er für »mädchenhaft« hielt, zugehört hatte, hatten es mich gelehrt.
Wann immer Ma sich im Fernsehen Talkshows ansah, in denen es um Frauenthemen wie »sich fett fühlen« oder »dem eigenen Mann die Stirn bieten« ging, schwebte Daddy durchs Wohnzimmer, tat einen schrillen Ton und imitierte die Frauen und ihr gequältes Gejammere.
»Ach, die Welt ist so schlecht zu Frauen. Lasst uns eine Mitleidsparty feiern und niemals darüber hinwegkommen. Ach!«
Auf Lisas Angewohnheit, in den Spiegel zu schauen, zeigte er dieselbe Reaktion. Lisa saß gern versunken in einer Ecke und begutachtete ihr Spiegelbild, probierte verschiedene Arten zu lächeln und ihre Mimik aus. Sie konnte locker eine Stunde lang sich selbst betrachten.
Als Reaktion darauf verdrehte Daddy die Augen zum Himmel, hob das Kinn und spreizte seine Finger hinter dem Kopf zu einem groben Abbild einer Krone. Er sprach dann in demselben Tonfall, den ich als Erkennungszeichen seiner Beurteilungen von allem »Weiblichen« abgespeichert hatte.
»Siehst du dir mein Gesicht an? Oh, nein? Na gut, dann sehe ich es mir selbst an.«
Daddy ließ auf seine eigenen Witze immer ein polterndes Gelächter hören, das Lisa dazu veranlasste, ihren Spiegel zu verstecken und unruhig herumzurutschen.
»Arschloch«, hörte ich sie einmal wütend sagen.
Schon
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