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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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diese Erfahrung besser auf Halloween vorbereiten sollen, als Lisa und ihre Freundin Jesenia aus der ersten Klasse »aus Sicherheitsgründen« einen »Geschmackstest« all meiner Süßigkeiten durchführten und mir in meinem Halloween-Beutel nur Pennys und Lakritzrauten für alte Damen zurückließen? Während ihrer »Überprüfung« hatte ich einen einzigen Kaugummi
in meiner Hand versteckt und fest daran geglaubt, dass ich sie an der Nase herumführte.
    Aber als die Jüngere war ich nicht immer diejenige, die zu kurz kam, hin und wieder lief es auch andersherum. Als Zweitgeborene und dank meiner älteren Schwester konnte ich die Kuriositäten des Lebens mit kopiertem Wissen angehen. Indem ich Lisas Umgang mit den verschiedensten Problemen in unserem Haushalt beobachtete, gelang es mir, ähnliche Situationen mit weniger Anstrengung zu durchlaufen.
    Dieser Vorteil war sehr hilfreich beim Navigieren im Zusammenleben mit unseren Eltern. Meine Beobachtungen, wenn Lisa den falschen Kurs einschlug, halfen mir wenigstens dabei, zu verstehen, was ich besser nicht tun sollte. Es gelang mir, das einzig korrekte Verhalten herauszufinden, das nötig war, um die Akzeptanz und Aufmerksamkeit meiner Eltern zu gewinnen – etwas, das sich bei uns zu Hause als schwierig und heikel erwies.
    Samstag war für die Bewohner Manhattans Sperrmülltag, was, so meinte Daddy, automatisch bedeutete, dass sie »gut lebten«. Die Bewohner Manhattans schmissen Dinge weg, die noch voll funktionstüchtig waren, man musste nur mit Argusaugen suchen, um die guten Sachen zu entdecken. Daddy hatte einige Stammplätze für seine Suche. In meinem Zimmer hatte ich bereits eine Sammlung angefangen: drei Metallsoldaten mit nur leicht abgesplitterter Farbe und kaum sichtbaren Rissen an den vorstehenden Waffen. Dazu ein altes Paar Trickhandschellen, die ich gern zusammen mit einem Plastikrevolver an meiner Gürtelschlaufe befestigte, damit ich aussah wie ein richtiger Polizist. Und dann war da noch ein Satz Murmeln in einem abgewetzten Lederbeutel, auf den seitlich Gleason’s gestempelt war.
    Die Geschenke waren immer begleitet von triumphalen Geschichten über den Aneignungsprozess, Erzählungen darüber, wie Daddy sich durch die Müllbeutel wühlte, während Schaulustige gafften und die Nase rümpften, wenn er »völlig intakte Dinge« herauszog. In seinen Geschichten war Daddy immer der Held, unterschätzt
von Leuten, die er manchmal durch seine ironischen Witze verunsichern konnte.
    Ab und zu begleitete ich ihn nach Downtown. Beim Herumstehen wusste ich nicht genau, wie ich damit umgehen sollte, wenn die Leute uns anstarrten und Daddy ihnen einfach den Rücken zudrehte und unverfroren weiterbuddelte. Ich versuchte, diesen Mann in seinem dreckigen, zugeknöpften Flanellhemd, das ordentlich in die genauso dreckige Jeans gesteckt war, der vor sich hinredete und Müllcontainer durchwühlte, mit ihren Augen zu sehen – als hätte er sich trotzig für ein schon lange verlorenes Berufsleben aus vergangenen Jahren angezogen. Ein ernst aussehender Mann, dunkelhaarig, mit kantigem Gesicht, wodurch er attraktiv und streng zugleich aussah, der zusammen mit seiner Tochter mitten im Müll stand, den alle anderen im weiten Bogen umrundeten. Ich erinnere mich daran, sichtbar peinlich berührt gewesen zu sein, bis Daddy mich aus meinen Gefühlen herausriss.
    »Was ist los, Lizzy, ist dir das peinlich?« Er blickte bei der Frage kurz von dem widerlichen Haufen auf und nahm seine Zeitungsjungenmütze ab. »Wen kümmert’s, was die Leute denken?« Er ließ meinen Blick nicht los, blinzelte nicht und beugte sich zu mir nach vorn. »Wenn du weißt, dass etwas gut für dich ist, dann schnapp es dir und scheiß auf deren Meinung. Das ist allein deren Problem.«
    Als ich zu Daddy in seinem ganzen Trotz hochblickte, war ich stolz, als würde er ein Geheimnis mit mir teilen: wie man vergisst, was andere Leute über einen denken. Ich wollte es genauso sehen wie er, aber daran musste ich noch arbeiten. Wenn ich mich in diesen Momenten richtig anstrengte, dann gelang es mir, und ich stand neben Daddy und erwiderte die Blicke der Leute, die uns anglotzten. Aber nur, wenn ich in seinem Ton immer wieder zu mir sagte, dass es ihr Problem war.
    Daddy war in gewisser Weise stolz auf seine Schatzsuche. Er hörte nie damit auf, diese eine Geschichte zu erzählen, wie er ein nagelneues Keyboard in genau dem Moment fand, als ihn jemand einen »Müllgräber« nannte. In seiner Erzählung hatte

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