Als der Tag begann
Pfannkuchen, Würstchen und Orangensaft, während Ron erneut neue rätselhafte Geschichten in Taras und Mas Ohren flüsterte, Geschichten, über die sie mit zurückgelegtem Kopf herzhaft lachten.
»Nichts wie weg da, wenn man seinen eigenen A-R-S-C-H retten will«, fügte Tara einer seiner Bemerkungen hinzu. Dabei schlug sie mit der Faust auf den Tisch, und unser gesamtes Besteck flog durcheinander.
»Tara, du bist zum Schießen«, sagte Ma. Immer hyperaktiv, trat Stephanie wiederholt gegen ihren Stuhl. Und immer wenn sie nicht hinsahen, wanderte Rons Blick über Mas und Taras T-Shirts auf und ab.
Eines Tages, als Tara irgendetwas anderes vorhatte, trafen wir uns mit Ron ohne sie und Stephanie. Er schlug vor, dass Ma, Lisa und ich zu ihm nach Hause fuhren, draußen in Queens.
»Komm schon, Jean.« Er beschwatzte Ma vor unserem Haus und zog an ihrem Handgelenk. »Wir packen eine Tasche. Dir wird es bei mir gefallen, es ist wirklich schön da.«
Die Fahrt dauerte lang; ich erinnere mich deutlich daran, damals
zum ersten Mal auf einem Highway gewesen zu sein. Die vorbeirauschenden Autos machten die Reise in meinen Augen zu einem Abenteuer, aber Lisa schlief ein.
Ohne Tara schienen Ma und Ron nicht genau zu wissen, was sie sich erzählen sollten. Ron stellte seinen Kassettenrekorder lauter, und die weinerliche Stimme eines Countrysängers erfüllte das Auto. Ma rutschte die gesamte schweigend verbrachte Fahrt auf ihrem Sitz herum. Einmal dachte ich, ihn dabei beobachtet zu haben, wie er hinüberlangte und seine Hand auf ihren Oberschenkel legte, aber Ma bewegte sich zu schnell für mich, um einen deutlichen Blick darauf zu erhaschen.
Rons Zuhause war ein richtiges einstöckiges Haus mit einem Vorgarten und einer Garage. Eine dicke Wand aus Glasquadern trennte das Wohnzimmer vom Esszimmer, und Kletterpflanzen hingen an Haken über einem riesigen schwarzen Klavier. Alles war aus glänzendem hellem Holz. Ron und Ma gingen schnurstracks in die Küche. Lisa schaltete den Fernseher ein, und wir sahen uns von einem breiten schwarzen Ledersofa aus Zeichentrickfilme an.
Stunden später erwachte ich mit Rons Hand auf meiner Schulter.
»Mädchen, aufwachen.«
»Wo ist Ma?«, fragte Lisa.
»Sie ist einkaufen gegangen, Bier holen. Sie ist bald wieder da.«
Ich hatte Ron noch nie zuvor in Shorts gesehen. Warum hatte Ma uns hier zurückgelassen?
»Der Laden ist weit weg von hier, es wird also ein bisschen dauern. Sie bat mich, mich um euch zu kümmern; sie meinte, ihr müsstet dringend mal in die Badewanne«, erläuterte er uns. Er faltete seine Hände und senkte das Kinn mit einer Ernsthaftigkeit, die aufgesetzt wirkte.
Auch wenn ich öfters einen oder zwei Monate ohne Waschen und Zähneputzen verstreichen ließ, kam mir das Ganze hier ziemlich seltsam vor. Einmal, als ich dabei half, Prüfungsergebnisse in der Klasse aufzuhängen, entdeckte ein Lehrer einen Schmutzfleck
auf meinem Hals und sagte mir, wenn ich an dem Abend duschen würde, sollte ich darauf achten, mich dort besonders gründlich zu waschen. Obwohl mich unsere verstopfte Badewanne vom Duschen abhielt, war ich dennoch so peinlich berührt, dass ich gleich nach dem Nachhausekommen einen Waschlappen nahm und meinen Hals abschrubbte. Der Dreck rubbelte sich in meine Handflächen ab.
In Anbetracht der Unbrauchbarkeit unserer heimischen Badewanne wollte Ma vielleicht, dass wir die Gelegenheit nutzten, hier in die Wanne zu steigen.
Ron beobachtete von der Toilette aus, wie Lisa und ich gemeinsam in dem seifigen Wasser saßen. Ich hatte Ron weder jemals in Shorts gesehen noch ohne sein Tweedjackett. In dem dampfigen Badezimmer stellte ich fest, dass er darunter sogar noch dünner war, und zwar fast auf eine frauliche Art, mit großen Nippeln, die sich durch sein Hemd abzeichneten. Ich wünschte, er würde sein Jackett wieder anziehen und gehen. Die weißen Fliesen glänzten sauber, und es duftete nach Zitrone.
Als wir uns wuschen, heftete er seine Augen gleich unter unsere Hälse. Irgendetwas an diesem Blick löste aus, dass ich mich bedeckte. Ich rollte mich zu einer Kugel zusammen, indem ich meine Knie an die Brust zog. Lisa hatte einen Ausdruck im Gesicht, der auf eine Gratwanderung zwischen Angst und Wut hinwies.
»Laut eurer Mutter soll ich mich vergewissern, dass ihr beiden jetzt tatsächlich jeden Körperteil gewaschen habt«, sagte er. »Ich will sehen, wie alles blitzsauber gewaschen wird. Zuerst die Füße«, fügte er hinzu, »und dann die Beine.
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