Als der Tag begann
nennen. Nicht ihr erster, rief Daddy mir in Erinnerung; vielleicht auch nicht ihr letzter. Lisa und ich wurden in ein Polizeiauto verfrachtet – ohne Daddy –, das dem Krankenwagen, der Ma transportierte, geräuschlos folgte, nur sein rotes Signallicht durchzuckte die Nacht, als wir die University Avenue hinauffuhren.
Ich hielt meine Augen die ganze Zeit fest geschlossen.
Ich habe niemals irgendwem gesagt, dass Mas Zusammenbruch meine Schuld war, dass ich ihn durch meinen Bericht, was passiert war, ausgelöst hatte. Als Ma vom Einkaufen mit einem Sechserpack in Rons Haus zurückkehrte, rief Lisa sie zu uns ins Badezimmer. Ich dachte, sie wollte es ihr erzählen, also fing ich zuerst an, und ich sah zu, wie sich Mas Gesicht mit Schrecken erfüllte. Ma rannte aus dem Badezimmer, wütender, als ich sie jemals zuvor gesehen hatte. Ich konnte hören, wie sie Ron quer ins Gesicht schlug. Dann brachte sie uns auf einer langen, langen Zugfahrt nach Hause, auf der Lisa Ma erzählte, wie Ron sie einmal bei Tara gefragt hatte, ob er Polaroids von ihr machen könnte. Das Gespräch verwirrte mich. Mit immer noch nassen Haaren vom Baden blieb ich völlig stumm und schlief auf Mas Schoß ein. Vier Tage später hörten die Fragen immer noch nicht auf.
»Lizzy, erzähl Ma von jedem Mal, wenn Ron dich dazu brachte, dich schlecht zu fühlen, Kleine. Du kannst es mir wirklich sagen, Schätzchen.«
Ich schämte mich so sehr, dass ich Ma nicht in die Augen sehen konnte, und meine Kehle tat mir weh, als ich ihr erzählte, wie groß meine Angst in der Badewanne gewesen war und wie besorgt ich war, als Ron in Stephanies Brust kniff, weil sie sich danebenbenommen hatte. Dann erzählte ich Ma davon, wie er mir mal mit meinem Reißverschluss geholfen hatte, unter vier Augen, in Taras Zimmer, und wie dabei seine Finger über meine Haut kratzten.
Ich konnte mich während der ganzen Sache nicht bewegen; ich war wie erstarrt und konnte nur den Deckenventilator aus Holz fixieren und auf das Klicken achten, das er bei jeder Umdrehung von sich gab, und jedes einzelne Klicken zählen, als er seine Finger schmerzhaft in mich hineinstieß. Von Rons freier Hand festgehalten, tat mir alles im Schritt weh. Ich zerbiss mir die Unterlippe, um nicht loszuheulen.
Ich schilderte Ma alle Einzelheiten, aber nicht, dass ich genau wusste, dass es falsch war. Ich wusste, ich musste nur nach ihr rufen, um das Ganze zu beenden. Aber ich unternahm nichts, weil Ron Mas, Lisas und meine Situation verbesserte. Ich wollte das nicht kaputt machen, also unterließ ich es, laut nach ihr zu rufen. Als er fertig und zurück zu Ma und Tara in die Küche gegangen war, linderte ich den Schmerz mit Vaseline aus dem Badezimmerschrank.
Deshalb war ich mir völlig im Klaren darüber, dass ich Ma verrückt gemacht hatte. Ich hätte Ron stoppen können, bevor etwas Schlimmes passiert war, aber ich tat es nicht. Dann, später, erzählte ich Ma, was Ron getan hatte. Das brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Ma drehte durch.
Jetzt behauptete eine Stimme im Büro des Arztes, Ma hätte den Zusammenbruch mit ihrem ganzen »Drogenmissbrauch« selbst verschuldet; zu keinem Zeitpunkt hätte sie der Wirkung ihrer Medikamente gegen die Schizophrenie eine echte Chance gegeben. Ich allein wusste, dass sie sich irrten. »Untersucht die Kinder«, befahl eine Frau mit klappernden Absätzen einer Krankenschwester. »Du hättest mal hören sollen, was die Mutter über ihren Vater von sich gegeben hat. Finde einen Arzt und untersucht diese Kinder. Wir müssen herausfinden, was hier los ist.«
Mit zwei Fingern gen Himmel gestreckt, wie beim Segen eines Priesters, trug der Arzt eine Art Gelee auf seinen Handschuh auf. Die Krankenschwester zog Steigbügel aus Metall aus dem Tisch heraus, die beide mit einem metallischen Geräusch einschnappten.
»Elizabeth, Liebes, gleich ist alles vorbei. Du musst jetzt nur deine Füße für uns hier hineinstellen. Sei ein braves Mädchen und halte still.«
Meine Fersen stützten sich ab, gefangen in kaltem Metall. Meine Beine öffneten sich wie bei einem Frosch und formten einen Diamanten. Das Krankenhaushemd hob sich in die Höhe – ein Papiersegel, das über der mir Gänsehaut verursachenden Brise, die meine Haut zum Kribbeln brachte und meine Oberschenkel kühlte, zu schweben begann. Ein Frösteln durchzog mein nacktes Becken, als der Arzt mit seinem Stuhl nahe heranrückte.
Dort auf dem Tisch wünschte ich mir Ma herbei, das seidige Gefühl ihrer
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