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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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Fremder«, erinnerte sich mich immer wieder. »Wir kennen ihn nicht. Behandle ihn wie einen Fremden.«
    Aber war er als Taras Freund ein Fremder? Und würde uns ein Fremder zum Essen einladen? Würde er uns Süßigkeiten kaufen und uns zu Ausflügen in seinem großen, roten Auto mitnehmen? Und vor allem, würde sich Ma so schnell für einen Fremden erwärmen?
    Ron bezahlte Tara fast alle ihre Drogen, und sie hatte Grund zur Annahme, dass er dasselbe auch für Ma tun würde.
    Während Lisa, Stephanie und ich auf Taras flauschigem Teppich auf dem Bauch vor dem Fernseher lagen und uns einen Zeichentrickfilm ansahen, machte Tara Ma und Ron miteinander bekannt. Kurz darauf huschten alle drei in Taras Schlafzimmer und kamen ziemlich lange nicht mehr heraus. Gelegentlich hörten wir ein Kichern oder ein dumpfes Geräusch, aber es war unmöglich zu sagen, was sie da machten. Ron war der Erste, der wieder ins Wohnzimmer kam.
    »Also, welches meiner drei Mädchen hat jetzt Hunger?« Er rieb sich die Hände.
    Ron lud uns alle ins International House of Pancakes ein, das auf dem Broadway nicht weit von Taras Wohnung weg war. Er überraschte uns damit, dass er sagte, wir könnten alles bestellen, was wir haben wollten – so etwas hatte weder Lisa noch ich je zuvor gemacht. Die Vorstellung von unendlich vielen Lebensmitteln erschien uns irreal. Ich bestellte mir einen ganzen Stapel Pfannkuchen, den wir zu zweit nicht bewältigt hätten. Und Lisa machte es genauso. Ich genoss es, fast die gesamte Sirupflasche auf meine übrig gebliebenen Reste zu kippen. Keiner nahm davon Notiz. Stephanies Angewohnheit, sich Eier zu bestellen, ekelte Lisa und mich an; wir hatten beide für den Rest unseres gesamten Lebens genug Eier gegessen. Zwischen ihren Happen trommelte Stephanie mit der Gabel auf dem Tisch herum und schlug mit ihren Beinen in alle Richtungen aus.

    Ma, Tara und Ron unterhielten sich das ganze Essen über im Flüsterton. Ron sprach die meiste Zeit, er beugte sich dabei nach vorn, damit er vertraulich mit ihnen reden konnte, während seine Hände auf ihren Oberschenkeln lagen, eine Geste, die Ma zappelig machte.
    Unser nächster Halt war ein trostloses Viertel in der Bronx vor verlassenen, abgebrannten Gebäuden, wo Männer mit auffälligem Schmuck an den Straßenecken standen oder hinter riesigen Radios tanzten. Ron gab Tara und Ma etwas Bargeld aus seiner Brusttasche, und Ma befahl Lisa und mir, uns in Rons Auto nicht vom Fleck zu rühren. Sie ging mit Tara zu den Männern hinüber, um ihnen das Geld zu geben, und ich wusste, dass sie sich Drogen kauften. Ron drehte sich um und unterhielt sich mit uns, während wir alle warteten.
    »Wie seid ihr Mädchen bloß so hübsch geworden?«, fragte er. »Ihr seht aus wie lauter Supermodels.«
    Stephanie kreischte vor Vergnügen. Ich konzentrierte mich auf Ma.
    Irgendwas an den Männern, mit denen sie und Tara redeten, machte mich nervös. Ich schloss ganz fest die Augen und öffnete sie nicht mehr, bis ich hörte, wie Ma ins Auto stieg. Als wir wieder weiterfuhren, erzählte Tara Ron, dass jede von ihnen ein B-R-I-E-F-C-H-E-N gekauft hätte.
    Egal wie oft Ma Tara sagte, dass Lisa und ich alles über Drogen wussten, versuchte sie immer noch, in unserer Gegenwart diskret zu sein, auch wegen Stephanie.
    »Briefchen«, sagte Lisa. »Tara, ich weiß, wie man das buchstabiert. «
    »Ach, sei ruhig, Lisa«, giftete sie zurück.
    Zurück in Taras Wohnung, waren sie und Ma stundenlang auf einem Trip, und Ron leistete ihnen dabei Gesellschaft.
    Ron kam regelmäßig jeden Sonntag in seinem staubigen roten Auto vorbei, um uns in Taras Wohnung abzuholen. Unsere Ausflüge
wurden zu dem Ereignis, auf das ich mich die ganze Woche lang freute. Unabhängig davon, was sonst so passierte, dachte ich an Sonntag und zählte die Tage bis dahin. Allerdings, ganz so wie Ma es machte, hielt ich meine Begeisterung im Zaum und redete nie über die mit Ron verbrachte Zeit, wenn Daddy in der Nähe war. Eher instinktiv als überlegt wusste ich, dass unsere Ausflüge etwas waren, worüber Ma Daddy lieber im Unklaren ließ. Seiner Meinung nach verbrachten wir nur Zeit mit Mas Freundin.
    Ron musste sich genauso sehr auf die Sonntage gefreut haben wie ich, denn er kam nie zu spät zu Tara. Pünktlich um elf Uhr hupte er dreimal. Wir fuhren dann stundenlang ziellos durch die Gegend. Tara drehte das Radio vorn lauter, damit wir alle mitsingen konnten.
    Wieder mal im International House of Pancakes, schwelgten wir in

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