Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als die Erde bebte

Als die Erde bebte

Titel: Als die Erde bebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Shalvis
Vom Netzwerk:
okay?” Verdammt, er wünschte, er könnte sie sehen. Wenn sie jetzt einen Schock bekam, konnte er so gut wie nichts für sie tun, und diese Hilflosigkeit zerrte an seinen Nerven.
    “Ja. Ich will nur hier raus”, entgegnete sie gepresst.
    “Ist Ihnen kalt?” Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie wich wieder vor ihm zurück.
    “Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass es mir gut geht.”
    Es verblüffte ihn, wie beherrscht sie noch immer klang. Wie würden seine Schwestern sich in so einer Situation verhalten? Sie waren niemals leise, niemals ruhig. Und ganz sicher niemals beherrscht. Schon wenn ihnen ein Fingernagel einriss oder ihre neue Frisur nass wurde, brachen für sie Welten zusammen.
    Und er musste zugeben, dass die Frauen, mit denen er ausging – und das waren nicht wenige –, seinen Schwestern ziemlich ähnlich waren.
    Diese Frau hier vor ihm, die er nicht sehen, sondern nur fühlen konnte, war ihm ein Rätsel.
    Sie rutschte noch weiter von ihm fort.
    Er hörte, wie sie versuchte, sich aufzurichten. “Vorsichtig”, warnte er sie.
    “Keine Angst. Ich werde schon nicht in Ohnmacht fallen.”
    Die Verachtung in ihrer Stimme sagte ihm, was sie von dieser speziellen Schwäche hielt.
    “Ich hatte eine Taschenlampe dabei. Und die werde ich jetzt suchen.”
    Der würdevolle Ton, in dem sie das sagte, brachte ihn zum Lachen. “Nun gut, dann lassen Sie mich beim Suchen helfen”, meinte er und begann den Boden nach der Lampe abzutasten. “Sie sind wirklich verdammt gelassen.”
    “Es war nur ein Erdbeben.”
    “Na ja, aber ein verdammt heftiges.”
    “Fluchen Sie immer so viel?”
    “Ja, aber ich versuche mich zu beherrschen.” Auf den Knien rutschend, drehte er sich um die eigene Achse, und plötzlich bekam er die Taschenlampe zu fassen. Er knipste sie an. Die Birne flackerte und gab kaum noch Licht.
    Er holte tief Luft und fluchte erneut.
    Sie näherte sich ihm von hinten und klang ungeduldig, als sie sagte: “Ich dachte, Sie wollten sich beherrschen … Oh.” Sie machte eine Pause. “Das sieht nicht gut aus.”
    “Stimmt.” Das, was er in dem schwachen Lichtstrahl erkennen konnte, war, besser gesagt, beängstigend. “Überhaupt nicht gut.”
    Die Treppe war völlig zerstört und es gab keinen anderen Zugang zum Kellergeschoss, abgesehen von dem riesigen Loch in der Betondecke über ihnen.
    Es gab keinen Ausweg. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes lebendig begraben.
    “Das ganze Gebäude … ist zerstört, oder?”, fragte sie leise hinter ihm.
    Dax überlegte, ob er lügen sollte. Sein erster Instinkt war immer, anderen zu helfen und sie zu beschützen. Doch er glaubte zu wissen, dass er diese Frau hier nicht zu schonen brauchte. “Sieht so aus.”
    “Wir werden sterben.”
    “Wir haben zumindest noch Sauerstoff”, entgegnete er sachlich, obwohl er ahnte, dass sie jetzt völlig verzweifelt sein musste. “Und die Taschenlampe.”
    Wie auf ein Stichwort flackerte die Lampe noch einmal auf, um dann für immer zu erlöschen.
    Dax fluchte erneut, und die Frau hinter ihm schnappte entsetzt nach Luft.
    Er tastete nach ihrer Hand. Überraschenderweise ergriff sie sie und hielt sie fest.
    “Wenn das Beben uns nicht über den Boden und weg von der eingestürzten Decke da hinten geschleudert hätte, wären wir jetzt hinüber”, sagte sie mit nüchterner, leiser Stimme.
    Stimmt, dachte Dax und drückte ihre Hand. “Noch leben wir.”
    Aber wie lange noch? Tonnen von Steinen lagen auf der Decke über ihnen. Dax hatte keine Ahnung, wie lange sie halten würde. Er glaubte jedoch nicht, dass sie die unausweichlichen Nachbeben überstünde.
    “Weiß jemand, dass Sie hier sind?”, fragte er und bemühte sich, seine wachsende Sorge für sich zu behalten.
    “Nein.” Durch ihre miteinander verschränkten Hände spürte er, dass sie erneut zitterte.
    Er hatte sich schon häufiger in brenzligen Situationen befunden, das war schließlich sein Job, und bisher war er sehr gut darin gewesen, seine Haut und vor allem die der anderen zu retten. War seine Glückssträhne womöglich gerade zu Ende gegangen?
    Bedauern und Wut stiegen in ihm auf, aber er war noch nicht bereit aufzugeben. Um sich zu beruhigen, atmete er tief ein und erstickte fast an den dichten Staubwolken, die noch immer in der Luft hingen. “Kommen Sie, dies hier ist ein Flur, da müssen doch noch mehr Zimmer sein. Vielleicht ist die Luft dort besser.”
    Und vielleicht gab es dort einen halbwegs sicheren Platz, wo sie Schutz suchen

Weitere Kostenlose Bücher