Als die Erde bebte
keinen Nutzen mehr.
Es stand schon seit Jahren leer und befand sich auf seiner Liste mit den gefährlichen Grundstücken, auf denen jederzeit etwas passieren konnte. Es war sein Job, Gelände wie dieses von Obdachlosen, randalierenden Jugendlichen und verzweifelten Liebespaaren frei zu halten.
Ein kleiner, schnittiger Sportwagen parkte vor dem Eingang. “Verdammt.”
“Dax McCall!”
“Entschuldige.” Er fuhr neben den Sportwagen und hielt an. “Ich mach jetzt Schluss, Shelley.”
“Nein, wehe du …”
Lachend drückte er die Aus-Taste und verließ seinen Wagen. Seine Schwester würde mindestens eine halbe Stunde lang schmollen, bevor sie ihn zurückrief. Lange genug, um den- oder diejenigen, die hier herumstreunten, aufzustöbern.
Die Tür zum Gebäude war ohne Schlüssel nicht zu öffnen, und nichts wies darauf hin, dass jemand versucht hatte, das Schloss aufzubrechen. Also war jemand mit einem Schlüssel hereingekommen.
Ein Makler.
Überzeugt, dass er mit seiner Vermutung richtiglag, schüttelte er den Kopf. Der Mörtel war überall brüchig. Ziegelsteine fehlten. Beim nächsten Sturm konnte das ganze Gemäuer in sich zusammenfallen.
Wer, zum Teufel, sollte so etwas kaufen wollen?
Und warum musste jemand darin herumspazieren? Wütend hämmerte er gegen die Tür und freute sich schon darauf, dem Dummkopf, der ein so baufälliges Gebäude betrat, eine Verwarnung zu erteilen.
Niemand antwortete.
Neugierig ging Dax um das Gebäude herum und rief ab und zu Hallo, doch überall herrschte Stille. Selbst die Wälder schienen plötzlich still zu sein an diesem ungewöhnlich warmen Herbsttag.
Seufzend ging Dax zurück zum Eingang und betrachtete sich das Schloss. Wieder schüttelte er den Kopf.
Mit solch einem lächerlichen Schloss beschworen die Besitzer den Ärger geradezu herauf. Er brauchte weniger als dreißig Sekunden, um es aufzubrechen. Die große Tür quietschte laut in den Angeln, als er sie aufstieß. “Hallo?”
Völlige Dunkelheit und der unangenehme Modergeruch verrieten ihm, dass es keinen Durchzug und damit wohl keinen anderen Ausgang gab.
Er nahm einen Stein, legte ihn vor die geöffnete Tür, damit sie nicht zufiel, und betrat das Gebäude. Wenn ihm nicht gleich jemand antwortete, würde er zurück zum Wagen gehen und eine Taschenlampe holen. Doch er nahm an, dass derjenige, der hier drinnen war, inzwischen froh sein würde, wieder ans Tageslicht zu kommen.
“Bezirksbrandinspektor!”, rief er laut und deutlich. “Kommen Sie raus, das Gebäude ist baufällig.”
Er hörte, wie eine Tür am anderen Ende des Lagerhauses geöffnet wurde, und runzelte die Stirn. “Hey!”
Die Tür wurde zugeschlagen. Fluchend durchschritt Dax die Halle und riss die Tür auf.
Treppen.
Ziemlich weit unten sah er einen schwachen Lichtschein, und er fluchte erneut. “Warten Sie!” Er betrat die dunkle Treppe und ärgerte sich jetzt, dass er seine Taschenlampe nicht dabeihatte. “Halt!”
Das war das Letzte, was er sagte, bevor das Beben begann und ihn auf der Stahltreppe niederriss.
Geboren und aufgewachsen in Südkalifornien, hatte Dax schon viele Erdbeben erlebt. Er betrachtete sich als erfahren, und trotzdem war es kein gutes Gefühl, so aus heiterem Himmel erwischt zu werden.
Das Beben schien nicht enden zu wollen, und Dax verlor völlig die Orientierung. Zu seinem Ärger konnte er nicht einmal etwas sehen. Unter ihm ratterte und bebte die Treppe, und er hielt sich mit aller Kraft an dem Geländer fest, versuchte gar nicht erst aufzustehen.
Hoffentlich hielt die Treppe. “Bitte, brich nicht unter mir zusammen”, flehte er.
Mindestens sechs Komma null auf der Richterskala, dachte er und wartete darauf, dass die Erde sich wieder beruhigte.
Das tat sie jedoch nicht. Stattdessen hörte er ein Dröhnen und kurz darauf das Gepolter von fallenden Steinen. Das war ein schlechtes Zeichen.
Ein sehr schlechtes.
Er steckte den Kopf zwischen die Knie und verschränkte die Hände im Nacken, um sich vor den herabstürzenden Steinen so gut es ging zu schützen.
Das Gebäude würde dem Beben nicht standhalten können. Es würde zusammenbrechen und ihn begraben.
Dax betete für das Gebäude und vor allem für die Treppe, an die er sich klammerte, und hoffte und hoffte, jedoch mit einem mehr als unguten Gefühl im Magen.
Er wusste aus Erfahrung, dass ein altes Gemäuer solch einer Naturgewalt nichts entgegenzusetzen hatte.
Ein metallischer Geschmack füllte seinen Mund, und er merkte, dass er
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