Als die erste Atombombe fiel
von Funairi-machi, etwa zwei Kilometer südwestlich vom Explosionszentrum, gegangen war. Weil sie eine dicke Jacke trug, hatte sie nur an der nach Norden zugewandten Seite ihres Gesichts Verbrennungen erlitten und an ihren Armen und Händen, die von der kurzärmligen Jacke nicht bedeckt waren.
Einige Tage später, nachdem wir auf der Insel angekommen waren, ging jemand durch die Straßen und rief: »Ab heute Mittag wird eine wichtige Meldung über den Rundfunk verbreitet. Bitte hören Sie zu.« Mittags verkündete dann Seine Majestät der Kaiser über den Rundfunk, dass Japan im Krieg besiegt worden sei. Am nächsten Tag gingen mein Onkel und ich nach Kanokawa. Das Haus dort steht an einem Hang, von wo aus man einen schönen Blick auf das Binnenmeer Seto hat. Jeden Tag würde ich also diesen wunderschönen Ausblick auf das Meer haben. Unwillkürlich traten mir Tränen in die Augen.
Als wir etwa fünf Tage später nach Hiroshima zurückkehrten, wollte ich Mutter im Krankenhaus in Eba besuchen, aber sie war tot. Ich erfuhr, dass sie vor vier Tagen gestorben war. Heute habe ich das Gefühl, dass es ihr Tod gewesen ist, der mir Tränen in die Augen steigen ließ, wenn ich vom Dorf Kanokawa aus auf das blaue Meer schaute. Meine nächstältere Schwester lag auch in dem Krankenhaus, sie starb etwa zehn Tage später.
So hat die Atombombe von meiner Familie schmerzliche Opfer gefordert: das Leben meiner Mutter und das meiner Schwester. Und was mich angeht: Ich musste mehrere Monate im Krankenhaus bleiben.
Eine lange, bedrückende Pause
Das Interview mit Kiyotoshi Arishige dauert nur wenige Minuten. Der heute 46-Jährige schildert kurz Familienstand und Beruf; er ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet als Verkäufer bei einer Baustoff-Firma. Seinen Bericht, den er als Schüler für Professor Osada niedergeschrieben hat, ergänzt er durch die Mitteilung, dass 1954 – also drei Jahre nach Erscheinen des Buches Genbuku no Ko , »Die Kinder der Atombombe«, – auch sein Vater gestorben sei, vermutlich ebenfalls an den Folgen der Bestrahlung durch die Atombombe, wie seine Mutter und seine älteste Schwester. Die genaue Todesursache habe man damals nicht feststellen können, weil die Untersuchungsmethoden noch nicht sehr gründlich gewesen seien, sagt Arishige. Dann stelle ich die Frage, wie er mit einem solch schlimmen Schicksal bisher gelebt habe, ob er es verarbeitet habe. Daraufhin entsteht eine lange, bedrückende Pause. Schließlich erwidert er, das sei ihm zu viel, und wir beschließen, das Gespräch abzubrechen.
Einer nach dem andern starb
Takako Okimoto
Schülerin der 8. Klasse, damals 2. Klasse
Der sechste Tag im August 1945! Ein Datum, das tief in mein Herz eingraviert ist, weil die grausame Bombe in einem einzigen Augenblick einen so schrecklichen Tribut an kostbaren Menschenleben forderte. Jedes Mal, wenn ich an den Tag denke, wird mir kalt. Ich bin eine von den vielen, die ihre unersetzbaren Eltern, Brüder und Schwestern, Verwandten und Freunde verloren hat. Sie alle starben, einer nach dem andern. Das Schicksal meines großen Bruders, der beim Arbeitsdienst eingesetzt war, ist immer noch ungeklärt. Mein anderer Bruder erlitt schwere Verbrennungen am ganzen Körper und starb am nächsten Tag in der Grundschule von Koi, 2,5 Kilometer vom Explosionszentrum entfernt. Wir ließen seinen Leichnam in der Schule, und meine Eltern, meine Schwestern und ich zogen aufs Land. Aber es gab dort keine guten Ärzte, darum kehrte Mutter nach Hiroshima zurück. Am Tag darauf schickte mein Onkel uns eine Nachricht, dass es ihr plötzlich schlechter gehe, und bat uns, in die Stadt zurückzukommen. Am nächsten Morgen nahmen wir zu dritt den ersten Zug in die Stadt. Überall hing widerlicher Geruch in der Luft, und das, was wir sahen, war entsetzlich. Weit und breit war alles so völlig verwüstet, wie man es sich schlimmer nicht vorstellen kann: Von dem, was Hiroshima gewesen war, war nichts mehr übrig geblieben. Irgendwie gelangten wir nach Hause und erfuhren, dass Mutter kurz zuvor gestorben war. Ich weinte und weinte. Wir verbrannten ihren Leichnam im trockenen Flussbett. Hier und da verbrannten auch andere Leute Leichen. Am gleichen Abend trafen wir mit den sterblichen Überresten meiner Mutter wieder im Haus meines Onkels auf dem Land ein, und dort starb meine große Schwester.
Obwohl ich zu jung war und nicht wusste, was ich tun sollte, tat ich, was ich konnte, um meinem Vater und meiner kleinen Schwester
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