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Als die erste Atombombe fiel

Als die erste Atombombe fiel

Titel: Als die erste Atombombe fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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zu helfen. Aber trotz meiner Pflege starb meine kleine Schwester einen Tag nach dem Trauergottesdienst für meine erste Schwester. Vater nahm an der Trauerfeier für meine große Schwester teil, aber als meine kleine Schwester starb, war er schon so schwach, dass er nicht mehr hingehen konnte. Der buddhistische Mönch, der die Feiern bei den Beerdigungen meiner beiden Schwestern abhielt, muss auch das Gift eingeatmet haben, denn die Begräbnisfeier für meinen Vater übernahm er nicht.
    Vater muss sehr traurig und einsam gewesen sein, als er seine Söhne und Töchter nacheinander sterben sah, aber jedes Mal, wenn ich fragte: »Wie fühlst du dich heute?«, sagte er: »Heute Morgen fühle ich mich etwas besser, mein Liebes.« Er wollte nicht, dass ich mir Sorgen machte, aber er wurde immer schwächer. Am Morgen des 10. September entschlief er, und der Gedanke, mich allein zurückzulassen, belastete ihn bis zuletzt. Vor seinem Tode sagte er oft: »Hoffentlich sterbe ich nicht. Jetzt, da wir unser Haus und unseren Besitz in den Flammen verloren haben, möchte ich hier auf dem Land bleiben und Bauer sein und mit dir ein ruhiges Leben führen.«
    Am 15. August kapitulierte Japan schließlich. Im und um den Bahnhof gab es viele Bettler. Die Stadt war voller Diebe und Räuber, und es wurde immer schlimmer.
    Und woher ist dies alles gekommen? Durch den Krieg! Ohne den verdammten Krieg wären nicht so viele Menschen so unglücklich gemacht worden. Ohne Krieg kann man überall auf der Welt heiter und friedlich leben. Die neue Verfassung lehnt den Krieg ab. Obwohl es jetzt keinen Krieg mit anderen Ländern gibt, kämpfen in Japan Japaner gegen Japaner, als ob sie nicht wüssten, dass die Menschen alle gleich sind. So wird Japan nie Frieden haben. Ich glaube, wenn wir ein friedliches Land aufbauen wollen, sollten wir mehr Rücksicht aufeinander nehmen. 12
    12 In Artikel 9 der japanischen Verfassung vom 3. November 1946 heißt es: »Das japanische Volk wünscht aufrichtig einen internationalen Frieden, bei dem Gerechtigkeit und Ordnung die Grundlage bilden, und verzichtet auf ewig auf den Krieg als Mittel der Staatsgewalt und auf Drohung mit Waffengewalt und auf die Verwendung von Waffengewalt als Mittel zur Beilegung von internationalen Auseinandersetzungen. Um den Zweck des obigen Abschnitts zu erreichen, werden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstiges Kriegspotenzial unterhalten. Das Recht auf Kriegführung durch den Staat wird nicht anerkannt.« Trotz dieses eindeutig formulierten Friedensgebotes, das nach wie vor gültig ist, unterhält Japan so genannte Selbstverteidigungsstreitkräfte, und zwar insgesamt etwa 250000 Soldaten.

Und ich weinte und weinte …
    Toshihiko Tanabe
Schüler der 8. Klasse, damals 2. Klasse
    Ein Blitz und dann ein schreckliches Geräusch, und ganz Hiroshima war ausgelöscht. Hat es in der Geschichte der Menschheit je zuvor eine derartige Katastrophe gegeben? Hat es je etwas von solch ungeheurer Kraft gegeben? Ja, Atomenergie. Atomenergie ist schrecklich. Wenn sie zu schlimmen Zwecken benutzt wird, dann wird sie die Menschheit vernichten. Wenn sie zu guten Zwecken benutzt wird, dann werden die Menschen umso glücklicher werden, je mehr davon genutzt wird, und es wird Frieden geben. 13
    Mit dem Blitz und dem Knall von damals erloschen hunderttausende von Menschenleben. Was für ein entsetzliches Geschehen! 6. August, 8.15 Uhr. Das war der Tag, der sich mir tiefer eingeprägt hat als irgendetwas sonst in meinem Leben.
    Ein paar Tage danach kam ich zurück zu unserem Haus, um nach meiner Mama und meinem Papa zu suchen. Ich hämmerte an die Tür und brüllte, aber niemand antwortete mir. Ich ging hinein, aber das Haus war leer. Ich war damals erst in der zweiten Grundschulklasse und zuerst begriff ich nichts. Aber im Laufe der nächsten Tage fing ich an zu begreifen. Waren Vater und Mutter tot? Der Gedanke allein machte mich schon traurig. Mein Vater war so gut und so stark. Ich dachte, auch eine solche Bombe könnte ihn nicht umbringen, nicht meinen Papa. Und ich sagte mir immer wieder, dass auch meine Mutter noch lebte.
    Sechs Tage später, um die Mittagszeit, wankte ein Soldat, schmutzig und blutverschmiert, mühsam auf einen Stock gestützt, ins Haus. Es war niemand anders als mein lieber, unvergesslicher Vater. Ich war so glücklich! Ich rannte zu ihm und umarmte ihn. Ich hatte Recht gehabt: Mein Vater war stark und wunderbar.
    »Wo ist deine Mutter?«, fragte er.
    »Sie ist

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