Als die erste Atombombe fiel
tausenden heilen, eine unmögliche Aufgabe …
In der Industriestadt Nagasaki, wo am 9. August 1945 die zweite amerikanische Atombombe explodierte, war die Lage nicht ganz so verzweifelt wie in Hiroshima, denn ein Teil der Stadt war verschont geblieben und damit auch einige Krankenhäuser. In einem der Hospitäler arbeitete damals der 29-jährige japanische Arzt Tatsuichiro Akizuki. Er hat seine Eindrücke später in einem Artikel wiedergegeben. Seine Beobachtungen lassen etwas von dem Inferno ahnen:
»Immer mehr Menschen … drängten sich im Hof des Krankenhauses zusammen. Sie kamen einzeln, paarweise, zehn Minuten, zwanzig Minuten, eine Stunde nach der Explosion. Alle sahen gleich aus, alle artikulierten in Urlauten das Gleiche: ›Hitze … verletzt … Wasser, ich verbrenne.‹ Bis zur Hüfte nackt, teilweise völlig unbekleidet, stolperten sie herum.
Ihr Stöhnen schien aus den innersten Eingeweiden zu kommen. Alle hatten diese weißlichen Gesichter, die wie Masken aussahen. Mir war, als träumte ich; als stünde ich vor einer Prozession von Geistern, die sich langsam an mir vorbeibewegt. Arbeiter oder Studenten, Frauen oder Männer: Sie stolperten langsam vorwärts. Sie stöhnten und weinten um Hilfe. Die gespenstische Geräuschkulisse wurde immer lauter, je mehr Opfer sich auf dem Hof herumdrängten. Es war, als hätte sich die Erde aufgetan, es war, als stöhnte die Erde.«
Insgesamt sind in der Zeit vom 6. August bis 5. November 1945 316000 Atombombenopfer von 180 Ärzten und 5220 medizinischen Hilfskräften betreut worden.
Bonbons mit in den Sarg
Toshihiko Kondo
Schüler der 7. Klasse, damals 1. Klasse
Oh, ich schaudere bei dem bloßen Gedanken an die schreckliche Atombombe, die am 6. August fiel. Wie gnadenlos zerstörte sie Hoffnungen!
Im August hatte ich Schulferien, und am Sechsten war der Himmel klar und blau.
Mutter und mein großer Bruder mussten Arbeitsdienst leisten und waren zum Rathaus gegangen, Vater zur Bank. Ich war allein zu Hause und spielte mit meinen Freunden beim Luftschutzunterstand in der Nähe.
Plötzlich blitzte es grell auf und gleich darauf waren wir von schwarzem Rauch umgeben. Während ich verwirrt dastand und nachdachte, was ich tun sollte, begann sich das Haus vor uns in unsere Richtung zu neigen. Wir konnten uns gerade noch in Sicherheit bringen. Auf dem Weg nach Hause sah ich Kinder, die nach ihren Müttern riefen, und Leute, die ihre Wunden mit den Händen zusammenpressten – schreckliche Bilder, die mir, wenn ich daran denke, noch heute Schauder über den Rücken laufen lassen. Zum Glück entkam ich ohne einen Kratzer.
Als ich nach Hause kam, waren Vater und Mutter noch nicht zurück und ich fürchtete mich noch mehr. Unser Haus war umgefallen und alles war in einem furchtbaren Durcheinander. Die Kommode war umgekippt und überall lagen Kleidungsstücke herum. Unsere Nachbarin sagte, ich sollte in den Unterstand gehen, und das tat ich sofort, weil ich hoffte, Vater könnte dort sein, aber er war nicht da. Meine Freunde waren alle mit ihren Müttern dort, und weil ich als Einziger allein war, hockte ich mich allein in eine Ecke.
In dem Augenblick hörte ich meinen Vater rufen: »Ist Toshi da unten?«
Ich rannte aus dem Unterstand und draußen stand Vater. Ich war so froh, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Wenn er nun nicht gekommen wäre?, dachte ich, wo Mutter und mein Bruder doch auch noch nicht zurück sind.
Dann sagte Vater: »Komm, lass uns nach Mutter und deinem Bruder suchen.«
Wir beide machten uns auf den Weg zum Rathaus. Dabei sahen wir einen Mann, dessen Unterkörper von einem eingestürzten Haus eingeklemmt war. Er rief ununterbrochen: »Hilfe! Hilfe!« Wir konnten nicht vorübergehen und tun, als hätten wir seine Rufe nicht gehört, also halfen wir ihm. Kaum war er befreit, da lief er fort, wobei er »Shinji! Shinji!« rief. Er muss wohl sein Kind gesucht haben. Auf der Hauptstraße waren die Oberleitungen der Straßenbahnen auf den Boden gefallen, sodass es fast unmöglich war hindurchzukommen. Weiter vor uns sahen wir Flammen, die hoch emporloderten. Einige der zerstörten Häuser mussten in Brand geraten sein. Die Straße, auf der wir gingen, war keine richtige Straße. Wir gingen auf den Dächern der eingeebneten Häuser.
Ein paar Häuser entfernt von uns hörte ich ein Baby weinen. Man hörte, dass das Baby vor Angst zitterte. Wir wollten es retten, aber wir konnten nichts tun, weil das Haus davor schon in Flammen
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