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Als die erste Atombombe fiel

Als die erste Atombombe fiel

Titel: Als die erste Atombombe fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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leiden zu sehen.
    Unser halb zerstörtes Haus wurde von Taifunen geschüttelt. Zweimal gab es Überschwemmungen. Mein Bruder, der immer sehr sensibel gewesen war, war überzeugt, dass schreckliche Dinge vom Himmel kämen, und er begann sich zu fürchten, zum Himmel zu schauen.
    »Die Sterne sind wunderschön, sieh sie dir nur an«, sagte ich manchmal zu ihm, aber er blickte nie nach oben. Bei Taifunen und Überschwemmungen ließ er sich zitternd von meiner Mutter in die Arme nehmen.
    Es wurde Oktober und morgens und abends war es kühler, aber meinem Bruder ging es immer schlechter. Nach dem 10. konnte er das Bett nicht mehr verlassen. Wir wanderten aufs Land, um nahrhaftere Lebensmittel für ihn zu besorgen, aber wir erhielten nur ein paar Eier. Mein kleiner Bruder, der die Flugzeuge wegen seiner liebevollen Schwester beschimpft und der Angst hatte, auch nur einen Blick zum Himmel hinauf zu werfen, starb am 22. Oktober in den Armen meiner Mutter, ohne auch nur einen einzigen schönen Augenblick erlebt zu haben, ohne von einem Arzt behandelt werden zu können.
    Unsere Nachbarn verbrannten ihn am Ufer des Flusses. Es geschah ganz schlicht und einfach. Nur eine kleine weiße Rauchwolke stieg auf …
    Dann kam der kalte Winter, und die Menschen in ihren Behelfsheimen aus verzinktem Eisenblech litten. Es schien uns noch kälter als sonst zu sein, weil wir nichts im Magen hatten. Aber schließlich wurde es doch wieder Frühling. Man hat gesagt, auf der verbrannten Erde würde 75 Jahre lang nichts wachsen, und als dann im Frühling das Gras zu sprießen anfing, fasste jeder neuen Mut. An den Ständen, wo Reissuppe verkauft wurde, versammelten sich schon vom Morgen an viele Gruppen von Arbeitslosen. Hammerschläge hallten von der eingeebneten Stadt wider.
    Jedes Mal am 6. August
    Megumi Sera ist verheiratet und hat drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Ihr Mann arbeitet auf dem Gebiet der Strahlenforschung; zum Zeitpunkt des Gesprächs mit den ehemaligen »Kindern von Hiroshima« hält er sich gerade in Nagasaki auf. Schon Anfang der 1960er Jahre sind sowohl in Hiroshima als auch in Nagasaki Messungen vorgenommen worden, um festzustellen, inwieweit beide Städte als Folge der Atombombenexplosion noch radioaktiv verseucht sind.
    Das Ergebnis dient seitdem als Grundlage für die Einschätzung der Strahlengefährdung durch Kernkraftwerke. Der wissenschaftliche Wert dieser Untersuchungen wurde jedoch schon vor einigen Jahren angezweifelt.
    Megumi Sera selbst hat noch ganz präzise Erinnerungen an den »Feuerball«, der ihre Heimatstadt im August 1945 heimsuchte. Wenn sie heute durch die Stadt geht, kehren die Bilder von einst manchmal in ihr Gedächtnis zurück; besonders lebendig sind diese jedoch jedes Mal am 6. August, am Jahrestag des Abwurfs. Dann verspürt sie das Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen, um nicht mit diesen Bildern allein zu sein.

    (Abb. 18) Megumi Sera: Jedes Mal am 6. August kehren die schrecklichen Bilder zurück.



Damit es keine weiteren Hiroshimas gibt
    Eindrücke von einem viertägigen Aufenthalt in Hiroshima im Februar 1982
    Der Shinkansen, Japans superschneller Expresszug, legt die 800 Kilometer lange Strecke von Tokio nach Hiroshima in gut fünf Stunden zurück. Hiroshima – Stadt der Atombombe, Zentrum der japanischen Friedensbewegung, Mahnmal für den Frieden – das sind die gängigen Vorstellungen. Aber wie sieht die Stadt selbst aus? Was ist von der ungeheuren Explosion vor 37 Jahren geblieben?
    Neugierig-gespannt verlasse ich an diesem 4. Februar 1982 den Zug, um ein Taxi zu suchen. Was sonst auf Reisen Routine ist, geschieht diesmal bewusst, beinahe unsicher; das Gepäck zusammenhalten, die Rolltreppe besteigen, dann die moderne Bahnhofshalle durchqueren, sich einreihen in die Schlange derer, die ebenfalls auf ein Taxi warten. Auf dem Bahnhofsvorplatz grüßt eine bekannte japanische Firma mit einem Transparent: »Welcome to Hiroshima.«
    Der Taxifahrer, der mich zum Hotel bringt, ist Atombombenopfer. Er sagt dies fast beiläufig, denn in dieser Stadt leben noch viele Opfer des ersten Atomschlags, und beginnt während der Fahrt von sich aus ein Gespräch über Atombomben. Er hält Nuklearwaffen für ein notwendiges Übel. Solange die Sowjets 15 sie besäßen, müssten die Amerikaner sie auch haben, meint er, und Japan sei nun einmal auf die Schutzmacht USA angewiesen. Der Mann schildert seine Ansichten ohne Emotionen, und als ich etwas einwerfen will, ist die Fahrt schon zu

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