Als die Roemer frech geworden
und formvollendeter Verhandlungsführung. 3
Doch weiß Velleius Paterculus auch von einer Opposition zu berichten, die sich gegen die verschärfte römische Gangart im Verborgenen
regte. Und er benennt den Führer der germanischen Opposition, der besondere Qualitäten hatte, selbst in den Augen eines Römers,
der sich den germanischen Barbaren prinzipiell überlegen empfand.
Die Leute dort sind aber – wer es nicht erfahren hat, wird es kaum glauben – bei all ihrer Wildheit äußerst verschlagen, ein
Volk von geborenen Lügnern. Sie erfanden laufend Streitfälle. Bald schleppte einer |12| den anderen vor Gericht, bald bedankten sie sich dafür, dass das römische Recht ihren Händeln ein Ende mache, dass ihr ungeschlachtes
Wesen durch diese neue und bisher unbekannte Einrichtung allmählich friedsam werde und, was sie nach ihrer Gewohnheit bisher
durch Waffengewalt entschieden hätten, nun durch Recht und Gesetz beigelegt würde.
[…] Es gab damals einen jungen Mann aus vornehmem Geschlecht, der tüchtig im Kampf und rasch in seinem Denken war, ein beweglicherer
Geist, als es die Barbaren gewöhnlich sind. Er hieß Arminius und war der Sohn des Segimer, eines Fürsten jenes Volkes. In
seiner Miene und in seinen Augen spiegelte sich sein feuriger Geist.
Vom Kollaborateur zum Verschwörer
Als junges Mitglied einer adligen Familie – einer Königssippe, wie der Politiker und Historiker Tacitus (ca. 55–113 n. Chr.)
schreibt (Ann. 11,16) – bei den Cheruskern, die mit den Römern kooperierte, war Arminius wie sein Bruder mit dem römischen
Namen Flavus in römischen Dienst eingetreten. Sie waren in die Stammeskontingente, welche die unterworfenen Germanenstämme
den Römern zu stellen hatten, eingegliedert. Diese Kontingente erfüllten zwei Funktionen: Sie verstärkten die römischen Einheiten
durch ortskundige Truppen und stellten die Treue des Stammes sicher, aus dem die Kontingente stammten. Dem Cheruskerstamm,
der in einem Gebiet vom Quellgebiet von Ems und Lippe im Westen bis hin zur Elbe und darüber hinaus im Osten siedelte, war
in den (mindestens zwei) neuen anvisierten Provinzen im rechtsrheinischen Gebiet eine privilegierte Stellung zugedacht, ebenso
wie sie im gallischen Siedlungsraum die Haeduer seit Caesar genossen hatten. Die mit Rom kooperierenden Familien aus dem Cheruskerstamm
waren bereits für die herausragenden Funktionen der Provinzverwaltung vorgesehen. Die jungen germanischen Adligen in diesen
Stammeskontingenten wurden – über die lateinischen Kommandos hinaus – mit der römischen Lebensart und Kultur bekannt. Sie
sollten sich so an die Vorzüge des römischen Lebens gewöhnen.
|13| Arminius schien sich der Lebensart der neuen Herren nicht nur bereitwillig zu fügen, er machte sie sich auch zu eigen und
schaffte es gar bis in den römischen Ritterstand. Damit gehörte er nach römischen Kriterien zum Establishment. Vielleicht
ist wie im Falle seines Bruders Flavus sein Name lateinischer Herkunft, zumindest aber die latinisierte Form eines Namens
germanischer Herkunft.
Während seiner militärischen Laufbahn hatte Arminius die Stärken der römischen Armee und auch ihre Schwächen – beim Einsatz
im pannonischen Aufstand (6–9 n. Chr.) – gründlich studiert. Damals waren die römischen Truppen mehrfach, bedingt durch die
Infrastruktur und die kalten Jahreszeiten, in erhebliche Bedrängnis geraten. Erst der Einsatz von zehn Legionen und erheblichen
finanziellen Mitteln verhalf den Römern letztendlich zum Sieg. Diese Erkenntnis nahm Arminius mit und nutzte sie für seine
Taktik gegen Varus und gegen die Armeen des Germanicus. Dabei ging der Germane systematisch vor, wie Velleius berichtet:
Erst weihte Arminius nur wenige, dann mehrere in seinen Plan ein. Die Römer könnten bezwungen werden, behauptete er – und
er war überzeugend. Er ließ den Beschlüssen Taten folgen und legte den Zeitpunkt für den Hinterhalt fest.
Doch in dem stolzen germanischen Adel war die Führung des Arminius nicht konkurrenzlos. Es gab streng romtreue Fraktionen,
angeführt vom Schwiegervater des Arminius, Segestes: Der erfuhr von den Plänen des Arminius und verriet den Hinterhalt – allerdings:
Varus wollte es nicht glauben und beharrte darauf, die offensichtlichen Freundschaftsbezeugungen der Germanen gegen ihn als
Anerkennung seiner Verdienste zu betrachten. Nach diesem ersten Warner blieb für einen zweiten keine Gelegenheit
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