Als die Roemer frech geworden
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Ein wesentlicher Bestandteil des Aktionsplans der Verschwörer unter der Führung des Arminius war, dass man Varus von den herkömmlichen |14| Trassen, die die römischen Armeen entlang der Lippe-Linie für Hin- und Rückmarsch zu nehmen pflegten, weglockte. Dazu sollten
sich Stämme, die weit entfernt siedelten, zum Schein erheben. Diese Stämme mussten sich außer Reichweite jeder anderen römischen
Armee befinden, also weiter im Norden, sodass nur Varus dafür infrage kam, die Rebellen mit einem Umweg auf dem Weg nach Xanten
wieder zu unterwerfen.
Zuvor schon hatte Varus bereitwillig Truppen auf Anfrage ausgesandt. Während diese versprengten Einheiten massakriert wurden,
gaben die Anführer der Verschwörer dem Statthalter gegenüber vor, sie würden den Heerbann nur verlassen, um die Auxiliar-
und Bundesgenosseneinheiten der Stämme zur Unterstützung heranzuführen.
Das taten sie auch, doch in feindlicher Absicht. Als der erste unerwartete Angriff tief im unwegsamen Waldgebiet auf die orientierungslose
römische Armee erfolgte, war es zu spät. Die Falle war zugeschnappt.
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|15| Rhein oder Elbe – Defensive oder Expansion
A ls die Römer frech geworden
Zogen sie nach Deutschlands Norden,
Vorne beim Trompetenschall
Ritt der Generalfeldmarschall,
Herr Quinctilus Varus. 1
Die augusteische Germanienpolitik lässt sich unter drei Fragestellungen fassen. Zunächst geht es um die zeitlichen und inhaltlichen
Abhängigkeiten der römischen Offensiven rechts des Rheins und damit auch um die Ziele. Sodann stellt sich die Frage, inwieweit
die Römer nach der Unterwerfung der germanischen Stämme ihre Zielsetzungen als erfüllt betrachten konnten und welches Beherrschungskonzept
sich daran anschloss. Drittens ist zu erörtern, wie es zur
Clades Variana
, zur Varuskatastrophe, kam und welche Konsequenzen sich aus der Niederlage des Varus und in der Folge aus der Abberufung
des Germanicus ergaben.
Zuerst also soll eine Einordnung der Germanienpolitik in den Gesamtrahmen der augusteischen Außenpolitik und der römischen
Rheinpolitik seit Caesar erfolgen. Sie ist die notwendige Voraussetzung zum Verständnis der römischen Offensiven im rechtsrheinischen
Raum.
|16| Der neue Monarch und seine Machtgrundlage
Die Übernahme der Herrschaft im Jahr 27 v. Chr., nach dem Sieg über den letzten innenpolitischen Konkurrenten, stellte sich
als Machtdelegation auf Zeit vom Senat bzw. der Volksversammlung auf Octavian Augustus dar. Der Princeps, der nur durch sein
persönliches Ansehen und seine Bewährung die Standesgenossen überragte, regierte innenpolitisch zunächst mithilfe der wiederholten
Bekleidung des höchsten Amtes, des Konsulates, später durch die kunstvolle Kombination von Kompetenzen, die den traditionellen
republikanischen Ämtern entliehen waren. Ganz wesentlich für die Dauerhaftigkeit seiner monarchischen Position im Staat sollte
aber der Erfolg bei der Befriedung Italiens und besonders der Provinzen nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges werden. Dafür erhielt
er auf Zeit eine statthalterliche Befehlsgewalt
( imperium proconsulare
) über alle noch unbefriedeten Provinzen. Zunächst waren es fünf Provinzen, am Ende seiner Regierungszeit 19 Provinzen, dazu
zwei germanische Militärdistrikte, auf die er so Zugriff erhielt. Später, ab dem Jahr 23 v. Chr., wurde diese Befehlsgewalt
noch ausgedehnt. Sie war fortan übergeordnet
( impe
rium
proconsulare maius
): Auch die senatorischen Statthalter der (schließlich kontinuierlich zehn) „öffentlichen“ Provinzen, die vom Senat verwaltet
wurden, waren dem Princeps untergeordnet.
Während sich formal der Vorgang des Jahres 27 v. Chr. als eine |17| Machtaufteilung zwischen dem Senat und dem Princeps auf Zeit ausgab, wirkte sich de facto die Machtdelegierung in der beschriebenen
Form allein zugunsten des Augustus aus, denn in den unbefriedeten Provinzen standen bis auf wenige Ausnahmen alle Legionen.
Der Vorteil der jetzt legalisierten Macht des Augustus war auch gleichzeitig die entscheidende Schwäche: Rechtlich konnte
das Privileg der außerordentlichen Machtausübung nur so lange bestehen, wie die Aufgabe, die Befriedung im Innern und die
Absicherung nach außen, gewährleistet war. Mit jeder kleinen Störung in diesem „deal“, bei jeder kleinen Niederlage und bei
jedem kleinen Missgeschick wackelte die Macht des Princeps insgesamt.
|16| Princeps oder der Erste unter
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