Als die schwarzen Feen kamen
seinem Gesicht? Sag was, Marie!, dachte sie. Irgendwas, bevor es noch ein Missverständnis gibt! Aber es fiel ihr schwer, auch nur einen zusammenhängenden Satz zu bilden.
» Ich… also«, brachte sie endlich heraus und schaffte es zumindest zu lächeln. » Ich meine… ja. Nein. Ich hab nichts dagegen. Gar nichts.«
Sein Lächeln kehrte ebenfalls zurück, und diesmal blieb es länger in seinen Mundwinkeln hängen. Er wirkte erleichtert, als hätte sich mit ihrer Antwort ein Teil seiner inneren Anspannung gelöst. Mit den Fingerspitzen seiner freien Hand berührte er ganz kurz ihre Wange und ließ sie dann los, um auf den Vorhang zu deuten, hinter dem sich die Tür zu seinem Badezimmer verbarg. » Ja, dann… die Dame zuerst.«
Marie spürte seinen Blick in ihrem Rücken, als sie auf weichen Knien durchs Zimmer ging. Ihr Bauch fühlte sich an, als hätte jemand einen dicken Stock in ein Ameisennest gesteckt und darin herumgewühlt, bis die Insekten wie wild durch ihren Magen krabbelten. Es war ein unglaublich schönes Gefühl– auch wenn sie immer noch weder fassen noch verstehen konnte, was gerade geschehen war. Und gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie insgeheim, trotz allen Streits mit Theresa und trotz des Kummers und der Angst, die sie seit Tagen verfolgten, die ganze Zeit über gehofft hatte, dass genau das passieren würde. Als Marie die Badezimmertür hinter sich ins Schloss zog, hätte sie ihre Freude am liebsten laut herausgeschrien. Aber sie presste sich die Hände vor den Mund und hielt den Schrei zurück. Stattdessen spürte sie, wie er durch ihren ganzen Körper rauschte und sie mit einer Leichtigkeit füllte, die sie noch nie zuvor erlebt hatte. In diesem kurzen, wundervollen Augenblick war sie trotz aller Angst, aller Sorge und allen Entsetzens, das sie in diesen letzten Tagen gespürt hatte, nur eins: aufgeregt und voller Hoffnung.
Kurze Zeit später lag Marie dicht neben Gabriel auf der Matratze unter der Dachschräge und spürte die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, und seine Finger, die locker über ihren lagen. In der Dunkelheit sah sein Gesicht beinahe fremd aus. Älter und noch ernster als sonst. Das schwache Licht der Straßenlaternen, das von draußen hereindrang, ließ zwei winzige helle Punkte in seinen Augen glänzen, und sein gleichmäßiger Atem streifte Maries Haut. Die Erschöpfung, die sie noch kaum eine halbe Stunde zuvor beinahe zu Boden gedrückt hatte, war verschwunden. Sie war nicht mehr müde, im Gegenteil. Ihr Herz schlug viel zu schnell, um auch nur an Schlaf zu denken.
» Also… was willst du wissen?«, fragte Gabriel schließlich, als sie schon eine ganze Weile schweigend nebeneinandergelegen und sich einfach nur angesehen hatten.
Marie blinzelte überrascht. Wissen…? » Was meinst du?«
Gabriels Hand schloss sich sanft um ihre, und Marie glaubte für einen Moment, ein leichtes Beben in seinen Fingern zu spüren. Aber vielleicht waren das auch nur die Ameisen, die immer noch wild durch ihren Körper wuselten.
» Ich habe dir doch versprochen, dass wir über mich reden.« Gabriels Blick war ernst und geradezu erschreckend offen. Undeutlich glaubte Marie, in seinem Hintergrund wieder die Bestie zu erkennen, die sie mit glänzenden Augen aus dem Schatten heraus beobachtete. Aber es war zu dunkel, um es genau zu sagen. » Ich denke, jetzt ist ein ganz guter Zeitpunkt dafür.«
Marie schluckte überrascht. Ja, es stimmte. So etwas in der Art hatte er vorhin gesagt, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie von sich aus noch einmal darauf ansprechen würde. Vor allem nicht so bald. Genau genommen war es ja eigentlich auch kein richtiges Versprechen gewesen. Trotzdem konnte sie kaum beschreiben, wie froh sie über den Vertrauensbeweis war, den er ihr damit so unerwartet erwies– und das, obwohl sie gerade heute wirklich nichts getan hatte, um ihn sich zu verdienen. Im Gegenteil. Die Freude rüttelte zugleich das schlechte Gewissen wach, das sich hinter der Aufregung, neben ihm zu liegen, in einer Ecke von Maries Kopf verkrochen hatte.
» Ich hätte dich fragen sollen, bevor ich die Bilder ansehe«, murmelte sie kleinlaut.
Gabriel antwortete nicht sofort. Schließlich lächelte er, aber es wirkte ein wenig gequält.
» Mach dir keine Sorgen. Es ist ja eigentlich nicht schlimm, dass du sie gesehen hast, es ist nur… sehr privat.«
Verlegen senkte Marie den Blick. Sie konnte ihn nicht weiter ansehen. Natürlich war es privat. So betrachtet, war es ja
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