Als die schwarzen Feen kamen
zur Ruhe kommen können– oder seine Bestie. Sie saß dicht hinter ihm im Schatten und grollte zufrieden. Genoss die Berührung und lechzte nach mehr.
Dieses selbstsüchtige Biest.
Sie war unruhig. Ungeduldig und angespannt bis zum Zerreißen. Gabriel verstand das, aber das hieß nicht, dass es ihm auch gefiel. Was heute in der Praxis des Therapeuten geschehen war, hatte die Bestie zutiefst aufgewühlt und verstört, und jetzt wollte sie besänftigt und belohnt werden, weil sie Gabriel geholfen hatte zu verstehen– so wie sie es sich versprochen hatten. Dass die Bestie Gabriels Teil ihrer Abmachung rigoros einforderte, war zwar nichts Neues. Aber so aggressiv wie heute hatte sie sich schon lange nicht mehr aufgedrängt.
Und Gabriel wusste, woran es lag.
Marie hatte seinen Schatten gesehen. Heute zum ersten Mal, und das nicht nur auf den Bildern, die sie ohne seine Erlaubnis durchwühlt hatte. Sie hatte ihn berührt. Gabriel hatte das Spiegelbild der riesigen Kreatur in ihren Augen erkannt, und es machte ihn wütend, dass sie so eigenmächtig darüber entschied, ob Marie sie entdeckte oder nicht. Er hatte das Biest zur Strafe einsperren wollen, festbinden in irgendeiner finsteren Ecke seiner Gedankenwelt, damit es begriff, dass Gabriel solche Ausreißer nicht duldete.
Aber die Wut war viel zu schnell verraucht, um den Entschluss in die Tat umzusetzen. Dieses eine Mal hatte Gabriel nicht gegen den Willen der Bestie angekämpft. Die Bestie wollte von Marie berührt werden. Gestreichelt werden. Und Gabriel hatte sich dem nicht widersetzt. Vielleicht, weil er Mitleid hatte. Weil die Bestie unter dem, was sie bei Dr. Roth gesehen hatten, mindestens ebenso sehr gelitten hatte wie er selbst. Vielleicht aber auch, weil er das Gleiche wollte? Weil auch er Marie berühren wollte? Gabriel spürte, wie ein leichter Schauer über seinen Rücken lief. Er war froh darüber, dass sie so nah bei ihm war. Und was für einen Grund hätte er gehabt, dagegen anzukämpfen?
Keinen– außer der ewig bohrenden Angst, verlassen zu werden.
Aber Gabriel würde keine Angst in seinem Leben mehr zulassen. Egal welcher Art. Vermutlich musste er seiner Bestie also dankbar sein, dass sie die Initiative ergriffen hatte. Und sie hatten es sich heute verdient. Beide.
Das riesige Biest kroch inzwischen vorsichtig näher und beugte sich leise knurrend über Gabriel und Marie. Mit einer geschmeidigen Bewegung neigte es sich tief herunter und fuhr mit seiner Nase dicht an Maries Körper entlang, um ausgiebig an ihrer Haut zu schnüffeln. Mit seinen dürren Fingern betastete es die Linie ihres Halses und der Schulter und rieb schließlich behutsam seine Wange an Maries. Gabriel schloss die Augen, als die bleichen Lippen über die helle Haut und Maries im Schlaf entspannten Mund glitten. Beinahe war es, als ob er sie berührte– aber eben nur beinahe, und es machte ihn fast wahnsinnig.
» Ist gut jetzt«, murmelte er und bemerkte beunruhigt, wie heiser seine Stimme klang. » Du hast genug gehabt.« Im Geist zerrte er an der unsichtbaren Leine, die er der Bestie angelegt hatte, wobei er sich zusammenreißen musste, um es nicht nur halbherzig zu tun. Die Situation war aufregend und keineswegs unangenehm. Aber sie war auch ein Vertrauensbruch, und Gabriel würde an dieser Stelle nicht weiter vordringen. Das Biest knurrte unwillig und machte Anstalten, sich gegen ihn zu wehren. Marie bewegte sich leicht unter Gabriels Arm.
» Du weckst sie noch auf«, flüsterte er.
Widerwillig wich die Bestie zurück. Sie legte sich dicht hinter Gabriels Rücken, so nah, dass er ihren rasselnden Atem an seinem Ohr spüren konnte. Mit ihrer sehnigen Hand packte sie Gabriels Oberarm so fest, dass nur Sekunden später tiefrote Druckmale auf seiner Haut erschienen.
» Nun gib schon Ruhe«, flüsterte er ärgerlich. Allmählich wurde er wirklich müde, und er würde niemals schlafen können, solange die Bestie so unruhig war. Gabriel wusste, was sie wollte. Sie wollte, dass Gabriel tat, was sie selbst nicht konnte, sie wollte die Berührungen durch Gabriels Hände und Lippen spüren. Aber Gabriel weigerte sich. Marie schlief. Sie lag neben ihm. Sie vertraute ihm endlich, und das würde er nicht noch weiter missbrauchen. Unter keinen Umständen. Dass er seine Bestie so nah an sie herangelassen hatte, war das Äußerste an Kompromissbereitschaft, das er der Kreatur zuzugestehen bereit war.
» Ein andermal«, murmelte er und legte alle Willenskraft in die Worte, die er
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